2019 - Lovely Lanzarote

 

27. Juli 2019 – Cascais – Anreise

 

Ich mache am Freitag nach dem Mittag Feierabend. Uff, Urlaub, morgen geht’s zum Schiff. Karl-Heinz und Valentin sind schon Donnerstag angereist und schicken Bilder per Whatsapp. Während ich den ganzen Nachmittag meine Sachen erledige, sitzen die beiden schon im Cockpit und vergreifen sich an den Weißweinvorräten. Das Motorrad vom Händler geholt, das Auto aus der Werkstatt. Und gleich da gelassen, das Dach vom Cabrio geht immer noch nicht zu. Abends hole ich noch Miri vom Bahnhof ab, sie war mit 5 Freundinnen für eine Woche auf dem Boot. Das war für die 6 Lehramtstudentinnen bestimmt eine logistische Meisterleistung, wir kommen uns zu dritt schon immermal in die Quere. Ich bringe Miri direkt zum Tierarzt, wo Dave schon mit Layla, Miris Hündin wartet. Beim Rumtoben hat sie sich den Haxen verdreht, hoffentlich nicht schlimmes. Wieder zuhause packe ich die letzten Sachen zusammen. In Deutschland ist es zurzeit bis 40 Grad heiß, und so schlafe ich erst spät ein. Um 2.30 Uhr ist die Nacht dann auch schon zu Ende, mein Flieger nach Lissabon geht um 7 Uhr.

 

Der kommt leider nicht pünktlich los, die Gangway ist kaputt, und so müssen alle Passagiere in einen Bus steigen und werden die 100 Meter zum Flugzeug gebracht. Sachen gibt’s.

 

In Lissabon nehme ich mir ein Taxi zum Bahnhof, dem Cais Sodre. Vor meiner Nase prangt ein großes Schild, no fumare, aber der Fahrer zieht eine Gauloise nach der anderen durch. Der Zug vom Lissabon nach Cascais führt entlang des Tejo, ich genieße für 3,40 Euro die tollen Ausblicke, während wir durch kleine Ortschaften und an tollen Stränden vorbei rollen. Den letzten Kilometer laufe ich zu Fuß durch die schöne Innenstadt von Cascais, mein Gepäck schneidet an den Schultern tief ein.

 

Dann liegt sie endlich wieder vor mir, meine kleine Dreadnought, meine Fürchtenichts. Karl-Heinz hat schon den reparierten Code Zero wieder hochgezogen. Ich habe das Gefühl, dass mein Greifswalder Mädchen auch los will. Stark und schön liegt sie da.

 

An Bord werde ich mit einem Gin Tonic begrüßt. Und noch einem. Nach dem leckeren Rührei gibt es Weißwein. Mannomann, das geht ja schon wieder los, bei den „others“. Ladies, Gentlemen and others hatte Valentin mal bei einer Ansprache begrüßt, und wir hatten schon letztes mal festgestellt, dass wir am ehesten in die Kategorie „others“ fallen.

 

Unseren Abschiedsabend verbringen wie mit einem Rodizio. Bei dieser brasilianischen Köstlichkeit servieren die Kellner gegrillte Fleischspieße, direkt am Tisch wird das Fleisch mit einem langen, scharfen Messer abgeschnitte. 12 Sorten verschieden zubereitetes Rindfleisch machen uns mehr als satt, der Spaziergang zum Boot tut richtig gut.

 

 

28. Juli 2019 – 1. Seetag - Blauwassersegeln

 

Wir laufen kurz nach sieben Richtung Madeira aus, 500 Seemeilen freier Seeraum liegen vor uns. Punkt sieben stand wie verabredet der Hafenmeister vorm Boot und nahm die drei Codekarten zurück, die uns den Steg und die Toiletten öffneten.

 

Valentin fährt das Ablegemanöver. Nach der Hafenausfahrt fahren wir erstmal wieder Slalom, um nicht in eines der hunderte Fischernetze zu geraten. Wir segeln mit dem neu geflickten Code Zero, den wir aber bereits nach einer halben Stunde gegen die Arbeitsfock tauschen. Es pustet mit 4 bis 5 Beaufort, toller Wind, aber eine unangenehme Welle. Mittags erwischt es mich dann. Als ich unter Deck rumkrame, wird mir schlecht. Seekrank. Ich durchlaufe die erste Phase der Seekrankheit, in der man glaubt, man stirbt. Die zweite Phase umgehe ich mit 2 Tabletten Vomex. Die zweite Phase ist die schlimmere, weil man in feststellt, dass man nicht stirbt. Nach einem Schläfchen geht es mir wieder gut.

 

Dafür wird nachmittags Karl-Heinz plötzlich sehr still. Naja, der Eimer steht ja noch hinten im Cockpit. Valentin beeindruckt das Geschaukel gar nicht. Er erzählt von den Delfinen, die uns besucht hatten, als ich unter Deck mit dem Tode rang. Abend zaubert Valentin dann noch einen leckeren Salat, brät dafür Hähnchenfleisch.

 

Als wir tiefes Wasser erreichen (es ist hier ca. 3000 Meter tief), wird die Welle länger und gleichmäßiger. So segeln wir ruhig in unsere erste Nacht auf See, genießen den blutroten Sonnenuntergang.

 

 

29 Juli 2019 – 2. Seetag – Bordleben

 

Die Nacht ist sternenklar. Ab 22 Uhr bin ich alleine im Cockpit. Über mir Milliarden von Sternen. Da auch der Mond nur eine schmale Sichel ist, gibt es kein Licht außer den Sternen. Ich knipse bei randale nordic alle Lichter aus, bis auf mein kleines rotes Licht unter der Sprayhood, dass ich zur Orientierung brauche. Magisch. Ich liege auf dem Rücken auf der teakbelegten Bank und genieße den Moment. Irgendwann fallen mir immer wieder die Augen zu, ich stelle mir den Wecker im 10-Minuten-Takt. Um 1 Uhr übernimmt Karl-Heinz. Seine Wache ist leider weniger schön, es zieht sich zu und beginnt sogar zu regnen, der Wind nimmt zu und das Schiff bockt durch die Nacht.

 

So bin ich auch schon kurz nach sechs wieder an Deck. Der Wind hat ordentlich zugenommen. Nach Sonnenaufgang beschließen wir, das Großsegel auf ein Minimum zu reduzieren, wir gehen ins 3. Reff. Das bringt wieder Ruhe ins Schiff, wir laufen aber immer noch gut 6 Knoten.

 

Zum Frühstück mache ich mir ein Müsli. Der Himmel reißt wieder auf und vor uns liegt ein herrlicher Segeltag bei strahlendem Sonnenschein. Karl-Heinz duscht auf dem Achterdeck, kippt mehrere Eimer Atlantikwasser über sich. Respekt, Herr Scherer. Ich wasche mich unter Deck, im Bad, mit warmen Frischwasser. Das darf ich mir dann auch noch den halben Tag anhören, Warmduscher wird mein zweiter Vorname.

 

Wir reffen mehrmals an dem Tag ein und aus. Der Wind weht kontinuierlich aus Nord, schwankt zwischen 3 und 5 Windstärken, einzelne Böen erreichen 6 Beaufort. Segeln im Passat.

 

Valentin kämpft unerbittlich in der Kombüse, schnippelt Gemüse und Salat, schneidet Brot, Wurst und Käse. Abend kocht er einen Eintopf, den Andrea vorgekocht hatte. Den Abwasch erledigen wir draußen, nehmen dafür Atlantikwasser. Geht prima, nicht nur Karrl-Heinz bringt das Salzwasser wieder zum Strahen, auch das Geschirr wird gut sauber.

 

Am zweiten Tag hat sich schon so etwas wie Bordroutine eingestellt. Die Manöver klappen wieder flüssiger, wir finden unsere Sachen schneller wieder und auch der Wach-und Schlafrhythmus spielt sich ein.

 

So segeln wir entspannt in unsere zweite Nacht. Es sind noch ca. 300 Seemeilen bis Madeira.

 

 

30. Juli 2019 – 3. Seetag – Not my day

 

Nachts um 3 weckt Karl-Heinz mich. Von Steuerbord nähert sich ein Frachter in spitzem Winkel. Schlaftrunken versuchen wir die Situation zu beurteilen. Eigentlich müsste er uns ausweichen, Segler haben Wegerecht. Unser AIS-Computer berechnet, dass er eine Meile vor uns durchgeht. Und so ist es auch, alles gut. Nach nur 2 Stunden Schlaf krieche ich wieder in meine Koje, komme aber nicht mehr zur Ruhe. Ich quäle mich bis zum Morgen, schwitze, habe Kopfschmerzen. Was ist das? Seekrankheit oder ne Erkältung? Ich durchsuche unseren Medical-Koffer, den meine Töchter mir gepackt haben. Ich finde Vomex gegen die Übelkeit, Ibus gegen die Erkältungssymptome. An Deck wird es dann etwas besser.

 

Der Wind ist recht frisch, das Schiff rockt sich durch den blauen Antlantik. Im Laufe des Vormittags frischt er bis 6 Windstärken auf, die Wellen erreichen teilweise eine Höhe von 5 Metern. Alles ist sehr mühselig. Karl-Heinz verzichtet gleich ganz aufs Frühstück. Nur unsere Schweizer Garde nimmt die Situation gelassen. Ich glaube, Valentin würde auch in einem Hurrican noch fragen, ober er uns was zum Essen machen soll.

 

Wir beschließen, das Großsegel ganz zu bergen. Dazu müssen wir das Schiff in den Wind drehen, einen Am-Wind-Kurs-laufen. Zwischen mir und Karl-Heinz entsteht in unserer gereizten Stimmung eine Diskussion, ob man besser in Luv oder Lee auf das Vorschiff geht. Über Bord gehen oder bei einer Patenthalse vom Baum enthauptet werden. Letztendlich vielleicht eine philosophische Frage, ich persönich bin wasserscheu und sowieso manchmal kopflos.

 

Das Manöver gelingt und nur unter der Fock läuft das Boot gut beherrschbar seinen Kurs. Ich fühle mich den ganzen Tag kraftlos, auch Karl-Heinz verbringt viel Zeit in der Koje. Was machen wir hier draußen, auf einem Boot etwas größer als unser Bad zuhause, hunderte Seemeilen vom Land?

 

Wir segeln in die Nacht, ich übernehme wie immer die erste Wache. Über eine Stunde früher als sonst kommt Karl-Heinz an Deck und fragt, ob er übernehmen soll? Ich nehme dankbar an und revanchiere mich, als ich mich auch deutlich früher wieder aus der Koje quäle. Diese Zeilen schreibe ich bei völliger Dunkelheit im Cockpit sitzend, es ist 5 Uhr Bordzeit. Ich fühle mich deutlich besser. Mein kleines Rotlicht gibt mir Orientierung in der Dunkelheit. Um mich herum das rauschende Meer, über mir der sternenklare Himmel. In zwei Stunden geht die Sonne wieder auf. Vielleicht bin ich deshalb hier draußen!

 

 

31. Juli 2019 – 4. Seetag – Segeln im Passat

 

Der Tag verläuft deutlich entspannter als der vorige. Der Wind hat deutlich nachgelassen, und so entspannt sich auch das Bordleben. Wir essen, reden, trinken. Die Sonne scheint den ganzen Tag, und so können wir unsere Abendmahlzeit im Cockpit am ausgeklappten Cockpittisch zu uns nehmen. Alles ist gut.

 

Am späten Nachmittag kommt Porto Santo in Sicht, die kleinere Nachbarinsel von Madeira. Als ich die erste Wache übernehme, ist es schon stockdunkel. Lediglich die Insel wirft etwas Licht in den Himmel, ein weit strahlendes Leuchtfeuer am südöstlichen Punkt von Porto Santo gibt mir Orientierung. Der Wind schiebt das Schiff von hinten, nur unter dem Großsegel zieht randale nordic durch die Nacht. Um an dem Kap vorbeizukommen, muss ich das Segel auf die andere Seite bringen. Nicht ganz einfach, bei der Welle und dem Wind eine Halse zu fahren, ohne den Mast abzurasieren. Das Manöver gelingt mit Motorhilfe und ich kann direkten Kurs auf Madeira nehmen.

 

 

1. August 2019 – Madeira – Spektakuläre Aussichten

 

Als ich Karl-Heinz morgens um 4 ablösen will, schickt er mich nochmal in die Koje. Ich werde erst kurz vor Sonnenaufgang wieder wach und löse ihn ab. Als es hell wird wecke ich auch Valentin. Es ist ein großartiger Moment, als sich die Konturen der fast 2000 Meter hohen Insel am Morgenhimmel immer deutlcher zeigen. Details werden sichtbar, riesige Felsen und Höhenzüge, Wälder und in die Berglandschaften gebaute Häuser. Wir bestaunen die architektonischen Leistungen, Häuser die direkt an steil abfallenden Abhängen gebaut wurden, Brücken, die Täler überspannen.

 

Die Ansteurung der Marina in Funchal ist unkompliziert. Eine Viertelstunde vor dem Hafen kündigt Valentin uns auf Kanal 9 an. Funchal Marina, Funchal Marina, this ist Sailing Vessel randale nordic. Der Hafenmeister empfängt uns an der Hafeneinfahrt, zeigt uns unseren Liegeplatz und hilft beim Anlegen. Vor dem Besuch des Hafenbüros müssen wir beim Zoll vorbei schauen. Wir füllen Formulare aus, es werden Kopien gemacht. Wir bezahlen unsere 17,32 Euro die Nacht, erhalten dafür den Schlüssel für den Sanitärbereich und gehen zurück an Bord, wo wir bei einem Gin Tonic Kontakt zu Bettina aufnehmen, der Freundin von Karl-Heinz aus Kindertagen, die zeitweilig auf dem Eiland lebt.

 

Nach dem Frühstück holt sie uns mit ihrem Leihwagen ab, es geht in die Berge. Über Serpentinen erreichen wir einen Aussichtspunkt, von dem man in das über tausend Meter darunter gelegene Nonnental schauen kann. Schwindelerregend. Großartig. Die Bebauung im Tal wirkt wie bei einer Modeleisenbahn. Das Tal hat seinen Namen von den Nonnen aus Funchal, die sich zu Piratenzeiten in das Hochland zurückzogen und dort sich selbst und ihre Habseligkeiten schützten. Wir entdecken immer neue Details von unsrem luftigen Miradouro, einen Bagger, der ein Flussbett ausbaggert, schwimmende Kinder, Autos die von hier aussehen, als wären sie von Matchbox.

 

Am Nachmittag zeigt uns Bettina ihr Haus in Madalena. Es liegt direkt am Meer und wir bewundern bei einem Kaffee den Blick und lernen, wie man im Süden mit Kakalaken fertig wird. In der Nachbarschaft ist eine kleine Bananenplantage. Die kleinen Schwestern der Chiquita werden überall auf der Insel angebaut, auch in großer Höhe und an steilen Hängen. Wir gewinnen ziemlich Respekt vor den Menschen, die sich mit den Früchten einen Nebenverdienst sichern.

 

Abendessen gibt es in einem kleinen Hotel. Grüner Wein, Napfschneccken, Thunfisch. Und den großartigen Blick auf den Atlantik, der heute Abend so friedlich vor uns liegt.

 

Nach dem köstlichen Abendessen direkt am Strand fallen wir spät abends in die Koje, eine Nacht ohne Geschaukel lässt und entspannt schlafen.

 

 

2. August 2019 – Madeira – Energiewende und Bergwelten

 

Um 7 Uhr kommt langsam Leben ins Schiff. Aus der Kajüte von Karl-Heinz kommt Gemecker über sein neues Handy, das die Nacht nicht geladen hat. Während Karl-Heinz sich über den “elektronischen Scheißdreck” aufregt, habe ich den Verdacht, das unsere 220V Bordversorgung nicht funktioniert. Ich gehe erstmal duschen, danach machen wir und auf Fehlersuche. Ein anderer Blauwassersegler hat mal gesagt, Fahrtensegeln bedeutet sein Schiff an den schönsten Orten der Welt zu reparieren. Schnell steht fest, dass die Kontakte unserer Außensteckdose abgeraucht sind wie ein alter Kommodenfuß. Während Karl-Heinz zum Schiffsausrüster trottet, macht Valentin Frühstück und ich klebe eine aufgegangene Naht an unserer Fock. Als Karl-Heinz zurück ist, kann er die Steckdose notdürftig reparieren. Dem Bordingenieur ist wirklich nix zu schwör.

 

Fast pünktlich sind wir an dem Treffpunkt, an dem uns Bettina aufgabelt. Sie will uns heute die West-und Nordküste der Insel zeigen. Wir fahren mit dem Leihwagen auf eine Höhe von über tausend Metern. Wir bestaunen immer wieder spektakuläre Ausblicke auf Hochgebirgslandschaften. Madeira ist unfassbar grün, bis an die Bergspitzen ragt die Vegetation. Wir durchfahren Eukalyptuswälder, erreichen ein Hochmoor und bewundern beim “Abstieg” an der Westküste die wuchernden Hortensien am Straßenrand, die die Straßen kilometerweit umwuchern.

 

An der Westküste gibt es in Achadas da Cruz eine kleine Seilbahn, die uns am steil abfallenden Ufer von 600 Metern auf Strandhöhe bringt. Dort unten gibt es kleine Bauernhäuser, die Bergbauern dort vor langer Zeit angelegt hatten, als die Gärten bei einem Unwetter den Berg runter gerutscht waren. Die meisten sind heute verlassen, es sind aber auch vereinzelt kleine Paradiese entstanden. Wir pflücken kleine Weintrauben, die in den wuchernden und nicht mehr bewirtschafteten kleinen Parzellen wild vor sich hinwachsen.

 

Die Küstenstraße führt uns weiter nach Porto Moniz. Bei einem kalten Glas Sagres, dem portugiesischen Bier und Muscheln und gebratenen Sardinen bewundern wir den Blick auf die Naturschwimmbecken, die dort direkt am Strand angelegt wuden. Zurzeit ist Flut und der wogene Atlantik füllt die Becken indem er über die Außenkante der Piscinas Naturais schwappt. Summerfeeling pur.

 

Bevor wir am Abend wieder in Funchal ankommen, genießen wir noch Suppe im Brot und überbackenen Kodfisch. Valentin wählt die Pasta mit Mereresfrüchten, der “Grüne Wein”, ein junger Weißwein, passt perfekt dazu. Die Insel hat in den letzten Jahrzehnten unfassbare Summen in die Infrastruktuer investiert. So gibt es auf der Insel, die etwa so groß ist wie Rügen, 140 Tunnel mit einer Gesamtlänge von über 70 Kilometern. Man gelangt so schnell von einem Punkt der Insel zum andren, hatt aber auch eine Verschuldung von 7,5 Milliarden Euro hinterlassen.

 

Die Insel hat uns wieder sehr beeindruckt, mit ihren wunderschönen Ausblicken und der wuchernden Flora. Obrigado, liebe Bettina, du bist wirklich eine tolle Fremdenführerin.

 

 

3. August 2019 – Funchal – Schwarzwaldfeeling

 

Unser letzter Tag auf Madeira beginnt mit einem Müsli-Frühstück. Karl-Heinz quetscht Hafer mit seiner kleinen Mühle, schnippelt das Obst und rührt den Joghurt unter. Es stehen kleine Erledigungen an. Während ich das Schiff wasche und vom Staub befreie besorgt die Crew Proviant für die Überfahrt nach Lanzarote und kauft in einem kleinen Laden Elektroersatzteile für unser 220 V Bordnetz. Die Außensteckdose ist immer noch ein Provisorium, und wird es auch noch bleiben, da wir keine geeignete neue finden.

 

Um 10 Uhr holt uns Bettina ab, wir wollen noch einmal in die Berge. Die erste Teiletappe ist Monte, ein Vorort von Funchal. Wir besuchen dort die Kirche und staunen über die Schlitten, mit denen man sich ins Tal fahren lassen kann. Von 2 Männernn gelenkt donnern die Holzschlitten über kleine, asphaltierte Gassen Richtung Meer. Wow!

 

Es geht weiter bergan. Wir durchfahren die verschiedenen Vegetationszonen. Vor einigen Jahren gab es auf Madeira verheerende Waldbrände, die Folgen sind noch heute sehr präsent. Große Baumriesen stehen an den Hängen, verkohlt und ohne ein Blatt. Die Natur erholt sich nur langsam, aber der überall präsent Eukalypthuswald erobert die Täler und Bergkämme zurück.

 

Am Gipfel angelangt erwartet uns ein Restaurant und eine Radarstation mit einer riesigen kugelförmigen Kuppe. Wir haben heute Glück, der Nebel und die Wolken liegen unter uns, und so können wir auf fast 2000 Meter Höhe den Atlantik und andere Gipfel sehen.

 

Wir fahren weiter Richtung Norden, es geht bergab. Wir folgen dem Lauf der Straße, die duch ein enges Tal führt. In Sepentinen fahren wir durch einen dichten, dunklen Wald. Ein eiskalter, klarer Gebirgsbach fließt neben der Straße. Der Bach speist eine Forellenzucht, wo wir eine Pause einlegen. In mehreren Becken, gefüllt mit dem Wasser des Baches, sehen wir tausende von Forellen, in den Becken sortiert nach Alter und Größe. Vier Exemplare lassen wir uns dann in dem Restaurant schmecken. Gegrillt, mit Kartoffel und Salat, essen wir den Fisch und sitzen unter alten Bäumen. In dem Tal ist es beinah kühl. Auf der Nordseite der Insel trifft der Passat auf die Berge der Insel und bringt viel Feuchtigkeit mit.

 

Den Nachmittag verbringen wir auf dem Schiff. Es ist Tradition, dass Yachtcrews sich an der Hafenmole verewigen. Mit 2 Dosen Sprühfarbe hinterlassen auch wir unsere Spuren. Karl-Heinz, der alte Graffitisprüher, zaubert aus dem Handgelenk schwungvoll den Namen unseres Schiffes an die Mauer: '19 randale nordic.

 

Wir sitzen noch lange mit Bettina im Cockpit, trinken Weißwein, knabbern an den Vorräten und genießen die Hafenatmosphäre.

 

 

4. August 2019 – Atlantik – Richtung Lanzarote

 

Der Wecker klingelt um 5 Uhr Bordzeit, das ist 4 Uhr Madeira-Zeit. Wir wollen heute Richtung Lanzarote segeln, ungefähr 300 Seemeilen, 2 Tage und Nächte. Die Wetterprognosen sind sehr gut, der Nordost-Passat soll die nächsten Tage mit ca. 15 Knoten wehen.

 

Die Mannschaft springt noch schnell unter die Dusche, ich mache in der Zeit das Schiff klar zum Auslaufen. Ein letzter Blick auf unseren Schriftzug an der Hafenmauer und randale nordic läuft unter Maschine durch die Molenköpfe, passiert das Fährterminal und nimmt Generalkurs 140 Grad, Lanzarote liegt südöstlich Madeiras. Der Wind ist sehr schwach, und so wird die Maschine bis zum Nachmittag laufen. Wir passieren Deserta Grande, eine Insel, die auch zum Madeira-Archipel gehört. Ob das der “Große Nachtisch” bedeutet? Es ist sehr mild hier draußen, unseren ersten Kaffee trinken wir bereits in Shorts und Tshirt. Und es wird im Verlauf des Tages immer wärmer, ein Vorgeschmack auf die Karibik. Wir setzen die zusätzlichen Sonnensegel, die ich mir noch in Heiligenhafen beim Segelmacher hatte machen lassen. Trotzdem verbrenne ich mir im Lauf des Tages den Pelz, irgendwie vergesse ich immer eine Stelle, die nicht eingecremt ist. Heute sind es die Oberschenkel.

 

Mittags kocht Valentin einen Riesentopf Cilli con Carne. Ich kann es kaum glauben, aber der Pott wird leer. Träge liegen wir in der Sonne oder im Schatten, lesen, unterhalten uns. Am Nachmittag setzt endlich der Passat ein, wir setzen den Code Zero und das Großsegel, das Schiff zieht wieder leise seine weiße Spur in das blaue Meer.

 

Ich erreiche Britta über das Satellitentelefon. Immer ein bisschen fummelig die Anrufe, die ausklappbare Antenne des Telefons muss auf die Inmarsat-Satelliten Richtung Äquator ausgerichtet werden. Aber es reicht immer, um die wichtigsten Informationen auszutauschen. Britta ist bereits seit letzter Woche auf Lanzarote, und heute ist auch Evelyn, Valentins Frau auf der Insel angekommen. Wir freuen uns schon sehr auf unsere Frauen, die wir Dienstagvormittag wiedersehen werden. Lauf randale, lauf!

 

 

5. August 2019 – 100 Seemeilen vor Lanzarote – Just sailing

 

Der Blick auf das Handy bestätigt, ich bin erst um 7 Uhr wach geworden. Karl-Heinz hat mich wieder schlafen lassen. Trotz schlechtem Gewissen bleibe ich noch ein paar Minuten liegen, lausche den Geräuschen, höre randale nordic. Sie schmeißt sich wieder in die Wellen, stundenlang, ohne müde zu werden. Dieses großartige Schiff zeigt dem atlantischen Ozean ihre klaren Kanten. Unermüdlich. Wenn ich schlapp mache, macht sie da weiter, wo ich aufhöre. Ich vertraue ihr. Aber ich höre auch, dass sie mich gerade braucht. Ein leises wimmern: Gib mir mehr Kraft, flüstert sie mir zu.

 

Ich krabbel aus der Koje, schlüpfe in meine ausgetretenen Bootsschuhe und tausche die Arbeitsfock gegen den Code Zero. 30 Quadratmeter mehr Segelfläche lassen sie beschleunigen, ihr Bug teilt die Wellen: 6,8 Knoten.

 

Karl-Heinz finde ich in einem desolaten Zustand vor, in Luv in seiner Ecke sitzend, den Kragen seiner Segeljacke zu den Ohren gezogen. Mit wenigen Worten geht er an mir vorbei in seine Koje. Ich muss nur noch den Schweizer rausschmeißen, sagt er. Valentin war in der Nacht von seinem Schlafplatz in im Salon in Karls Koje geflüchtet, er hatte keinen Halt auf den schmalen Kojen des Salons gefunden, der Seegang lies das Schiff wie doll von links nach rechts taumeln.

 

Ich fühle mich großartig, segel aktiv. Trimme die Segel, korrigiere den Kurs um einige Grad, zusammen knacken wir die 7-Knoten-Marke. Als meine Euphorie nachlässt macht Nordi alleine weiter. Ich setze mich unter die Sprayhood, halte einen Schnack mit Valentin. Wir reden viel über die Berge, das Meer, das einfache Leben, die Natur. Gestern hatten wir einen schwarzen Belugawal an unserer Seite, heute Nacht segelten wir stundenlang durch fluoriszierenden Plankton, die kleinen Lichtpunkte erhellten das Meer.

 

Um 11 Uhr ist auch Karl-Heinz wieder fit. Körperhygiene steht an. Während Karl sich einfach 5 Eimer Atlantikwasser über den Kopf schüttet, sich einseift und mit noch einigen Eimern wieder abspült, bevorzuge ich die softe Variante. Ich lasse mir ein wenig warmes Süßwasser einlaufen und leder mich im Bad ab. Im Schrank finde ich noch ein Deo, dass die Mädels an Bord vergessen haben. Die Kommentare aus dem Cockpit, als der Duft aus dem kleinen Luk nach oben zieht, möchte ich hier nicht wiederholen.

 

Valentin kocht zurzeit alles in einem riesigen Topf. Der Seegang lässt nichts anderes zu, wir verzichten zurzeit auf seine aufwendig zubereiteten Menüs. Aber auch in den Riesentopf steckt er immer ein Prise Liebe zum Essen mit hinein, schmeckt ab und verfeinert. Der Gemüseeintopf heute Mittag ist jedenfalls wieder sehr lecker. Dazu gibt es ein Schweizer Bier, das der aus Stromspargründen nur gelegentlich laufende Kühlschrank immerhin auf 12 Grad runtergekühlt hat.

 

 

6. August 2019 – Kanaren– Rock'n Roll

 

Die Nacht ist fürchterlich, es briest auf, stockdüster. Ich schlafe trotzdem immer wieder ein, mein Handy auf der Brust, den Timer auf 20 Minuten gestellt. Ich stehe dann kurz auf, werfe einen Blick in die Runde. Bei einem Routinecheck des Plotters entdecke ich 3 AIS-Signale, die auf uns zu halten. Wir kreuzen den Schifffahrtsweg zwischen Gran Canaria und Europa. Alle drei Frachter sind direkt auf Kollisionskurs. Und nun? Lass mich rennen, bettelt randale, wir gehen vor den Kolossen durch. Sei vernünftig, antworte ich ihr. Das schaffen wir nicht, die Frachter fressen uns. Ich kann über 7 Knoten, vielleicht 8, lass mich los, sagt sie, gib mir mehr Segelfläche.

 

Ich berge die Fock, drehe sie mit der Winsch ganz weg. Randale seufzt und knarrt, verringert ihre Geschwindigkeit auf unter 5 Knoten. Ich luve um 10 Grad an, der AIS-Computer berechnet, dass die beiden Frachter von Backbord ca. 1 Seemeile vor uns durchgehen. Uff, geschafft. Randale seufzt noch einmal, ist nicht mein Style, murmelt sie. Ich will doch Meilen fressen, viel und schnell fressen.

 

Der Seegang vor den kanarischen Inseln ist sehr ruppig. Und so erwischt es am Morgen  erst mich und dann Karl-Heinz. Als ich die Kaffeekanne ausspülen will, bleibe ich mit meinen Füßen an den Steuerseilen der Windfahnensteuerung hängen und falle auf die Backskiste. Verdammt, tut das weh. Ich sehe schon jetzt den riesigen blauen Fleck am rechten Oberschenkel. Karl-Heinz erwischt es beim Pinkeln in die Hecksee. Obwohl man hinten im Cockpit sicher steht, haut es ihn in einer besonders hohen Welle von den Füßen, er erwischt eine Stütze des Windgenerators. Seglerherz kennt keinen Schmerz, sofort entwickelt er eine Lösung, dass die Edelstahlstange beim nächsten mal nicht aus ihrer Fixierung rutscht: Die Madenschraube wird durch eine durchgebohrte 5er Schraube ersetzt.

 

Im Insellee von Lanzarote wird es etwas ruhiger. Wir passieren erst die kleine Insel La Graciosa. Als wir auf Höhe Orzola im Norden Lanzarotes sind, wird es hell. Die kargen Vulkane heben sich vom Morgenhimmel ab. Wir betrachten die Dünung, die an den felsigen Ufern aus Lava donnernd auftrifft.

 

Gegen 10 Uhr durchfahren wir die Molenköpfe von Arrecife, bergen die Segel. Noch eine Linkskurve, an den ersten Stegen vorbei motorend sehe ich schon von Weitem meine Brittifrau auf dem Kopf eines Steges stehen und winken. Ich gebe der Maschine noch ein paar Umdrehungen mehr, mit Schwung fahre ich das Schiff in seine Box. Während die Jungs das Schiff vertäuen springe ich schon auf den Steg und nehme Britta in die Arme. Ich höre randale nordic hinter mir seufzen. Auf See ist sie meine Nummer Eins, wir sind ein Team, das weiß sie. Aber sie weiß auch, dass es amUfer etwas größeres gibt, gegen das sie nicht ankommt. Ich werde immer wieder an Land gehen, zu meiner Britti Woman.

 

 

6. bis 11. August 2019 – Lanzarote

 

Bevor es mit Ryanair am 11. August zurück nach Deutschland geht, verbringen wir zu sechst noch schöne Tage auf unserer kleinen Pirateninsel. Valentin und Evelyn, mein (nicht segelnder) Freund Herbert und Karl-Heinz, Britta und ich. Wir besuchen die Feuerberge, schauen vom Mirador del Rio auf die vorgelagerte Insel La Graciosa, schwimmen am Strand von Caletta de Famara im 22 Grad warmen Atlantik. Im Yachthafen dürfen wir die Adveturess besichtigen, die 30 Meter lange Yacht ist mit ihren fast 100 Jahren eine der letzten erhaltenen Five-Yachten. Karl-Heinz hatte den Eigner angesprochen, ob wir an Bord dürfen. Andächtig laufen wir barfuß über das riesige Teakdeck, bewundern das makellose Mahagonie und stehen ungläubig vor einem offenen Kamin im Salon. Man müsste Millionär sein.

 

Und wir bringen randale nordic wieder auf Vordermann, waschen ihr Deck und reparieren ein paar Kleinigkeiten. Gut zwei Jahre wird Arrecife nun ihr Heimathafen sein. Kurz vor diesem Törn hat mir mein Chef meinen Urlaubsantrag genehmigt, im Winter 2021/22 werden wir in die Karibik startet. Bis dahin ruh dich aus, mein Greifswalder Mädchen, wir werden beide Kraft brauchen.

 

Ein paar Zahlen:

Meilen gesamt: 805
Davon unter Maschine: 65
Max. Wellenhöhe (Meter): 5
Sachen durch den Salon
geflogen: Ungezählt (besonders toll ist Mehl)
Besuchte Häfen: 2
Besuchte Restaurants: 5
Liter Wein: 5
Liter Bier 8
Liter Süßwasser: Ca. 200 Liter
Gekochtes Essen: 7
Fische gefüttert: 1 mal Jan, 1 mal Karl-Heinz
Dosenessen: Null
Schäden am Boot: 1 Segel, 1 Steckdose
In der Dusche
vergessenes Shampoo: 1

 

15. Mai 2016 - Auf dem Bolzplatz
Um 9 Uhr morgens fahre ich das letzte mal für die nächsten Jahre das Fahrwasser aus Heiligenhafen hinaus. Als ich über die Schulter zurück schaue, muss ich kurz schlucken. Auch wenn am Heck von randale nordic Greifswald steht, mein Heimathafen wird für immer Heiligenhafen sein. Der Ort, an dem mir Seebeine wuchsen.
An der Ansteuerung drehen wir das Schiff in den Wind und Karl-Heinz setzt das einmal gereffte  Großsegel. Als wir abfallen und die Fock ausrollen klettert die Logge auf 8 Knoten. Der Windmesser errechnet 18 Knoten Wind. Klasse. Bis wir auf den Amwindkurs eindrehen. Im Fehmarnsund steht eine fiese Welle und das Gebolze beginnt. Wir beginnen Richtung Laboe zu kreuzen, gute 30 Seemeilen direkter Weg. Aber bei der Welle erreichen wir nur Wendewinkel über 50 Grad und die Strecke zieht sich. Als wir das Ende der Hohwachter Bucht erreicht haben nehmen wir die Segel weg und bolzen mit der Maschine gegenan. AK voraus, Herr Kaleun.
Eine Regenbö mit über 30 Knoten zieht über uns hinweg. Am Gestänge des Bimini rutscht ein Beschlag, der nicht richtig festgedreht ist und das Sonnendach wölbt sich wie ein Gleitschirm. Der Inbus hat ein englisches  Maß, habe ich natürlich nicht an Bord. Aber mit einem Bändsel lässt sich der Paraglider am Heck bändigen.
Gegen 15 Uhr erreichen wir Laboe, etwas durchgefroren und angefeuchtet. Britti ist froh, wieder fest am Steg zu liegen. Besonders ihr Magen ist sehr dankbar.
Abends brutzeln wir Rouladen im neu angeschafften Schnellkochtopf. Miri und David kommen an Bord, sie haben vor ihrer Heimfahrt nach Kassel noch in einem schicken Strandhotel mit Blick auf die Förde übernachtet. Karl-Heinz und ich machen noch einen Spaziergang und schauen uns das Zimmer an. Unsere 10000 Schritte erreichen wir heute nicht, aber das IPhone bescheinigt immerhin 6000. Wir sind uns einig, dass wir in  Verbindung mit unserem Segeltag genug Bewegung hatten und genießen mit gutem Gewissen unsere abendliche Trilogie aus Obstler, Espresso und Zartbitterschokolade.

16. Mai 2016 - Den Kanal voll
Haben wir gegen 17.00 Uhr als wir Brunsbüttel erreichen. Nach 9 Stunden Fahrt durch den Nord-Ostsee-Kanal.
Der Tag beginnt früh, schon um 6 Uhr ist Leben auf dem Boot. Karl-Heinz springt noch schnell unter die Dusche während ich das Boot klar zum Auslaufen mache, den Landstrom einhole und mir die Unterlagen vom Kanal anschaue.
Britti will eigentlich liegen bleiben, wir legen auch ohne sie ab, ab das sonnige Wetter lockt sie doch an Deck. In der magischen Atmosphäre der fast windstillen Kieler Förde genießen wir den ersten Kaffee, passieren Friedrichsort und erreichen die Schleusenanlage in Kiel Holtenau. Kiel Kanal , Kiel Kanal für randale nordic. Karl-Heinz ruft die Schleuse über UKW-Kanal 12 und fragt, wie wir uns verhalten sollen. Aha, zwischen den Anlagen auf Standby gehen und warten. 15 Minuten später laufen wir in die Nordkammer ein und machen an den glitschigen Anlegern fest. Die Schleusung dauert nur wenige Minuten und wir werden wieder ausgespuckt. 98 Kilometer Kanalfahrt liegen vor uns. Es weht uns ein kalter Westwind entgegen, und so wechseln wir drei uns im Stundentakt am Ruder ab. Viel zu tuen gibt es nicht an Bord. Der Yanmar schnurrt mit 2500 U/min und wir verbringen den Tag mit essen, rudergehen und schlafen. Morgens ein Müsli, am späten Vormittag die Reste vom Vortag und später Pfannkuchen mit Camenbert.
Zwischendurch kommen uns immer wieder große Frachter entgegen, der Kanal ist die am meisten befahrene künstliche Wasserstraße der Welt. Links und rechts ist viel Grün, kleine Ortschaften, Angler. Die letzten Kilometer ziehen sich, die Kälte sitzt uns in den Knochen.
Das Anlegebier trinken wir in einer kleinen Kneipe mit Kanalblick, gut geheizt. Von unserem kleinen Stadtbummel bringen wir uns einen Döner mit, den wir an Bord vertilgen. Danach machen wir noch kleinere Reparaturen auf dem Boot, Karl-Heinz ziegt die Schrauben eines Handlaufs nach und klebt die Befestigung der Jalousien neu ein während ich den Tidenkalender studiere. Ab morgen diktieren die Gezeiten unseren Tagesrhythmus.

Auf dem AIS (Automatic Identification System)

Und life

17. Mai 2016 - Im Gezeitenstrom mit Jan Cux
11.01 Uhr ist Hochwasser in Brunsbüttel. Vor- und nachher steht das Wasser ca. eine halbe Stunde. Wir können also ab 10.30 Uhr ausschleusen um mit dem ablaufenden Wasser nach Cuxhaven zu fahren. So die Theorie.
Praktisch stehen wir um 8 Uhr morgens auf. Ein Müsli-Frühstück und  tolle Duschen bringen uns in den Tag. Danach laufen wir in den ortsansässigen Edeka und füllen unseren Kühlschrank, Fisch-Schmidt versorgt uns mit Kabeljau-Filet. Gegen 11.30 Uhr schleusen wir endlich aus dem Kanal aus und randale nordic schwimmt in der Elbe. Wir laufen unter Maschine Richtung Cuxhaven. Speed over ground 4 Knoten, Fahrt durchs Wasser 5 Knoten. Ich zweifel erstmal an meinen Rechenkünsten, der Ehrenpreis in Tidennavigation geht heute wohl nicht an mich. Etwas später können wir die Fock setzen und laufen die Elbe weiter herab. Eine Stunde vor Cuxhaven segeln wir mir 9 Knoten Speed, der Ebbstrom läuft jetzt doch mit 3 Knoten mit uns.
In Cuxhaven tanken wir Diesel und füllen den Wassertank. Auch in dem war Ebbe. Karl-Heinz ist der beste Performance-Abspüler zwischen hier und Oklahoma, aber der Wasserverbrauch dabei gleicht dem eines mittelgroßen Chemiewerkes.
Spargel mit Dorsch, vorweg einen Gin-Tonic und zum Nachtisch frische Erdbeeren. Um das wieder weg zu bekommen, versuchen Karl-Heinz und ich unsere 10000 Schritte zu erreichen und schauen uns die "Alte Liebe", den Hamburger Leuchtturm und das Feuerschiff Elbe 1 an. Schritttechnisch erreichen wir unser Tagesziel nicht ganz, aber wir sind sehr zufrieden mit dem Tag und dem Abend.

18. Mai 2016 - Trottellummen, Knieper und die lange Anna
Um kurz vor 6 klappe ich meine Augen auf. Der eigentliche Plan war, nach 10 zu starten um möglichst nahe an das ablaufende Hochwasser zu kommen. Aber das kommt erst kurz vor zwölf, und gestern habe ich gelernt, dass das Wasser noch anderthalb Stunden nachläuft. Also doch jetzt starten. 10 Minuten später laufen wir tatsächlich aus, die Elbe schiebt uns mit 9 Knoten in die Nordsee. Anfangs sehr schwachwindig, können wir später den Code  Zero und das Groß setzen und Kurs auf Helgoland nehmen. Ein herrlicher Segeltag erwartet uns, viel Sonne und Wind aus südlichen Richtungen.
Bereits gegen 13 Uhr erreichen wir den roten Felsen im Meer und finden einen  Liegeplatz im Südhafen. Wir bezahlen unseren Liegeplatz beim drögen Hafenmeister, der mühselig unsere Daten in den Computer tippt. Mit den Duschen hat er nichts zu tuen, die werden privat betrieben. Na dann, vielen Dank für den freundlichen Empfang.
Wir fahren mit einer kleinen Fähre hinüber zur Düne, einer kleinen Sandinsel, die Helgoland vorgelagert ist. Die Insel steht unter Naturschutz. Bei unserem Strandspaziergang sehen wir mehrere Seehundkolonien, die im Sand in der Sonne dösen. Man kann sich den Tieren sehr leicht nähern, sie zeigen keine Scheu gegenüber Menschen. Wir legen uns ca. 25 Meter entfernt ebenfalls in den Sand und beobachten das Treiben der Herde. Im Wasser rangeln sich zwei Jungbullen, aber der Rest liegt unbeeindruckt am Strand und relaxt. Sehr inspirierend, einige Minuten später liegen auch wir und Karl-Heinz schnarcht mit den Robbies um die Wette.
Als wir zurück auf Helgoland sind, besichtigen wir das Unterland, das etwas den Charme der späten Siebziger versprüht. Mit einem Aufzug gelangt man ins Oberland, wir laufen am Klippenrand um die gerade mal einen Quadratkilometer große Insel. Die Brutkolonien sind sehr beeindruckend, man kommt den Trottellummen, Basstölpeln und Möwen sehr nahe. Wieder ein tolles Naturerlebnis. Wir fotografieren die lange Anna, den riesigen allein stehenden Felsen,  aus mehreren Perspektiven und beobachten die Alexander von Humboldt zwo beim Einlaufen. Als wir wieder am Schiff sind, zeigt der Schrittmesser von Karl-Heinz mehr als 16000 Schritte. Wir haben uns ein lecker Abendbrot verdient!
In einem kleinen Restaurant in der Nähe der Promenade essen wir Knieper, die helgoländer Variante von Hummern. Das Gerät zum Zerlegen und Pulen könnte auch ein Zahn- oder Fauenarzt gut verwenden, aber man bekommt damit auch prima das Fleisch aus den Zangen. Zufrieden mit diesem fantastischen Tag beenden wir den Tag wie immer, ein Espresso, ein.....

19. Mai 2016 - Earlybirds
Wir liegen in Helgoland im Päckchen, das heißt wir liegen an der Pier und neben uns 2 Yachten Bordwand an Bordwand. Wann wir morgen loswollen fragen unsere Nachbarn. Naja, wir wollen nach Borkum und haben so 70 Seemeilen vor uns. Ist so zwischen 5 und 6 ok?
Morgens um 5 klopft es tatsächlich auf unser Deck, beide Mannschaften in Manöverbereitschaft. Wir sind noch nicht ganz so weit, schnell in die Bordhose, Schuhe an und an Deck. Moin Nachbarn, danke, dass das klappt. Ich starte den Diesel, Karl-Heinz hat schon den Landstrom gezogen und Britti sortiert Leinen und Fender. 10 Minuten später dampfen wir durch die Molenköpfe und gehen Kurs West-Süd-West. Nach diesem Kaltstart kochen wir erstmal einen Kaffee, die See ist spiegelglatt.  Wir dösen durch den Tag,  kochen,  reparieren und lesen. Wir kreuzen zweimal Schifffahrtwege, den Terschelling - German Bight und den Western Approach, Autobahnen für Tanker und Containerriesen. Durch unser neu installiertes AIS (Automatic Identification System) kein Problem, wir sehen die bis zu 25 Knoten schnellen Schiffe auf unserem Plotter und können unseren Kurs anpassen.
Gegen 16 Uhr erreichen wir Borkumriff und laufen in das Ems-Delta ein, fahren an Borkum vorbei und drehen an der Fischerbalje in die Zufahrt zum Hafen. 18 Uhr, Schiff fest.
Der Hafen ist grauselig, ein alter Militärhafen. Aber wir werden sehr nett von der Hafenmeisterin empfangen die uns auch den Toilettenschlüssel übergibt. Wir bummeln durch den Hafen und trinken unser Anlegebier im Restaurant Yachthafen. Naja, genauer eine Sprite, ein Kaffee und ein Nullzweier Bierchen. Für morgen planen wir einen  Hafentag.
Ich bin sehr froh, dass wir so zügig bis hier gekommen sind. Ab hier sind wir weitgehend wetterunabhängig. Starker Westwind hätte die Passage durch die Nordsee unmöglich gemacht, aber durch die langen Etappen haben wir die Wetterfenster nutzen können. Und wie immer dabei: Meine Brittifrau. Wie heißt es bei den Sportfreunden Stiller? Will ich mal wieder mit dem Kopf durch die Wand, legst du mir Helm und Hammer hin. Das macht Britti auch, sie unterstützt in jeder Situation, bleibt ruhig. Meine Navigatorin!

Wissen nicht immer, wo es lang geht

Weiß immer, wo es lang geht

20. Mai 2016 - Lazy day
Wir werden aus Gewohnheit alle um 6 Uhr rum wach, obwohl wir einen Hafentag machen. Senile Bettflucht. Bleiben aber liegen und dämmern wieder ein. So richtig leben kommt erst gegen 10 Uhr ins Schiff, wir kochen uns Kaffee und ein Eichen. Gegen Mittag laufen wir in den Hauptort von Borkum, 7 Kilometer von unsrem Liegeplatz entfernt. Ca. 16000 Schritte, sagt Karl-Heinz Schrittzähler. Die letzten Meter beginnt es zu regnen, wir flüchten in ein Kaffee. Den Ort schauen wir uns im Laufschritt an, es hat sich eingeregnet. In einem Edeka machen wir Einkäufe. Zurück gönnen wir uns ein Taxi und Britti verstaut unsere Beute in den Schapps.
Borkum ist eine schöne Insel, viel Natur, endlose Strände. An der Hauptpromenade kann man alte Seebäderarchitektur bewundern. Direkt von der Promenade aus kann man Sandbänke mit Seehunden beobachten.
Diese Zeilen schreibe ich, während wir im Restaurant "Zum Yachthafen" sitzen und ich auf meinen Kabeljau nach Art des Hauses warte. Mal schauen, wie das Essen schmeckt, für den Laden spricht auf jeden Fall das tadellose Wlan.

Frühstücksbrettchen von Karl-Heinz getischlert ;-)

Feuerschiff Borkumriff - außer Dienst, wie alle deutschen Feuerschiffe

21. Mai 2016 - I understood
Langsam bekomme ich eine Ahnung, was segeln in Tidengewässern bedeutet. Das Wasser fließt in der Nordsee immer langsamer, und somit länger, rein als raus. Wir starten heute erst zweieinhalb Stunden nach Niedrigwasser und die Tide spült uns planmäßig in die Ems Richtung Delfzjil. Ich verleihe mir innerlich den Ehrenpreis für hervorragende Kenntnisse im Wattenmeer, übersehe aber dabei fast eine Fahrwassertonne, auf die uns der Tidenstrom quer zuschiebt. Unser Yanmar heilt das Manöver und wir haben drei herrlich Segelstunden. Obwohl wir streckenweise aufkreuzen, erreichen wir am Wind 9 Knoten über Grund.
In Delfzjil erwartet uns unsere erste Schleuse, wir verlassen die Nordsee und die Seeschleuse senkt uns ins Binnenland. Wir tuckern den Emskanal durch Friesland. Links und recht von uns weite Felder, Weiden, Kühe. Vereinzelt stehen Gehöfte und Baumgruppen in der Landschaft.
Die erste Brücke liegt vor uns. Und nun? Aha, die haben uns schon gesehen, die Brücken sind kameraüberwacht. Das Signal springt von rot auf rotgrün, Standby. Wenn die Ampel grün zeigt: Nix wie durch. Yachten begegnen uns nur sehr wenige, aber einige Binnenfrachter kommen uns entgegen.
Um 15 Uhr erreichen wir Groningen und finden einen Liegeplatz mitten in der Stadt. Wir liegen in einer Gracht und genießen das Treiben um uns herum. Die Studentenstadt ist auf den Beinen, irgendwas wird gefeiert. Auf dem Wasser sind viele Gruppen mit Sloepen (Schaluppen) unterwegs, laute Musik, Gelächter. Die Stadt ist eine lebendige Mischung aus traditioneller Architektur und internationaler Moderne. Der Hammer, ob man sich in meinem Alter noch an der Hanze-Uni einschreiben kann?
Wir beenden den Abend im Cockpit, überbackene Auberginen, Nudeln mit Lachs-Sahne-Sauce und roter Grütze mit Vanille-Sauce.

22. Mai 2016 - Friesland
Um 9 Uhr morgens starten wir, vorher sind die Schleusen und Brücken nicht in Betrieb. Wir werden in einer 3er-Gruppe durch Groningen gelotst. Eine Moody 54, ein riesiges Motorboot und wir. Der Schleusenwärter radelt neben uns her, von Brücke zu Brücke, sperrt den Straßenverkehr und öffnet die Brücken. Unfassbar, gestern haben wir sogar eine Autobahn gekreuzt, die für uns als einziges Boot gesperrt wurde, um uns als einziges Boot  durchzulassen.
Die "Staande Mastroute" (Stehende Mast Route - man kann mit stehendem Mast durch ganz Holland fahren) hat uns mitten durch das großartige Groningen geführt. Es gibt viel zu sehen, tolle Wohnschiffe und Hausboote, Häuser, Leben in der Stadt.
Nach zweieinhalb Stunden haben wir den Brücken-Marathon hinter uns fahren durch das ländliche Friesland. Das bunte städtische Treiben wechselt in weite Landschaften. Das Wetter ist so lala, es regnet nicht viel, aber der graue Himmel hängt über den grünen Feldern. Wir durchqueren nicht viel Orte, Abwechslung bringen nur die wenigen Schleusen und Brücken.

Als wir einen Tankstopp einlegen, entdecken wir ein Schild: Mastenbauer. Karl-Heinz ist sofort Feuer und Flamme, er braucht einen neuen Holzmast für seine Argo, die alte Holzplanke. Da haben sich zwei Holzwürmer gefunden, sofort wird über Lackierungen und Holzsorten gefachsimpelt, Email-Adressen ausgetauscht und erste Verabredungen getroffen. Während dessen bespricht Britti auf englisch mit einer italienischen Yacht, wann wir den Liegeplatz an der Tankstelle räumen und wo überhaupt der Hafenmeister zu finden ist. Als Karl-Heinz und ich vom Mastenbauer zurück kommen, räumen wir den Liegeplatz und fahren weiter.

An einer flachen Stelle laufen wir auf. randale nordic hat einen recht tiefen Kiel, mit 1,90 Meter sind wir an der Obergrenze, die Route überhaupt fahren zu können. Wir kommen aber leicht wieder frei und können die Fahrt fortsetzen, bis wir um 18.30 Uhr Dokkum erreichen.
Wir machen direkt in der Stadt fest, es regnet. Wir stellen unseren Cobb-Grill unter die Sprayhood und kurz danach gibt es Salat, Rind, Huhn und Schweinefleisch. Internet ist hier kostenlos und sauschnell, endlich kann ich auch die Galeriefunktion von Jimdo nutzen.

23. Mai 2016 - Fifty shades of grey
Oh mein Gott, wie kann es nur soviel regnen. Wir verlassen morgens um 9 Uhr Dokkum mit der ersten Brückenöffnung. Der Himmel hängt tief, es regnet, und das wird es bis zu unserer Ankunft tuen. Dazu pfeift ein Wind aus Nord. So tuckern wir südwärts. Karl-Heinz und ich wechseln uns am Ruder ab. Wir durchfahren wunderschöne Orte, aber selbst zum Fotografieren ist es zu nass. Uns beeindrucken immer wieder die tollen Häuschen, die direkt am Wasser liegen, traumhaft schön. Viele mit einem eigenen Bootsanlieger, das wärs! Das eigene Schiff direkt am Grundstück fest getüddelt. Um die Mittagszeit passieren wir Leuwarden. Seit morgens bereits haben wir einen Motorsegler hinter uns, der vor den Brücken, vor denen wir warten müssen, viel zu nahe auffährt. Den Höhepunkt erreicht das in Leuwarden, wo er vor einer Brücke auf Warteposition bis auf wenigen Zentimeter auf uns drauftreibt und uns mit seiner Schiffshupe anbölkt. Obwohl ich innerlich koche bleibe ich cool und manövriere randale nordic rückwärts um ihn herum, um ihn nicht mehr hinter mir zu haben.
Nach Leuwarden erwartet uns wieder weites Land, Friesland. Unglaublich grün, riesige Schaf- und Rinderherden, aber heute alles bedeckt vom Grau des Himmels.
Unser Tagesziel für heute heißt dann auch Grouw. Obwohl mitten im Binnenland gelegen, ist es eines der Wassersportzentren der Region. Ein malerischer Ort, umgeben vom Wasser, Yachthäfen und Schiffsservice wohin man schaut.
Beim Einfahren in den Ort laufen wir das zweite mal auf dieser Reise auf. Obwohl uns der Nordwind auf die flache Stelle drückt, zieht uns der Schiffsdiesel schnell wieder in tiefes Wasser. Wir finden eine tolle Anlegestelle vor einem Hotel. Britti geht direkt nach dem Anlegemanöver in das Hotel und handelt einen Deal aus: Wir dürfen die Nacht umsonst dort liegen, wenn wir abends dort essen gehen.
Es erwartet uns ein grandioses 4-Gänge-Menü, Karl-Heinz lädt ein. Gebeizter Lachs, Kabeljau mit Spargel, Lamm und Vanilleeis mit Erdbeeren. Und das Beste: Ich kann vom Essenstisch auf mein Boot schauen! Mehr geht nicht. Obwohl es den ganzen Tag geregnet hat, bin ich sehr glücklich. Wir sind nur noch eine Tagesreise von Lelystad, unserem Heimathafen für diese Saison, entfernt. Das tolle Essen, dieser besondere Liegeplatz, der Rückblick auf den gelungen Überführungstörn lassen mich sehr zufrieden sein. Und meine Frau, die am Abendbrottisch neben mir sitzt, und sich für mich mit freut.
Ich sitze gerade noch im Salon von randale nordic, während ich diese Zeilen schreibe. Britti ist schon in ihre Koje gekrochen, hat sich eingemummelt. Schlaf gut, meine Brittifrau, ich passe auf dich auf.

Unser Liegeplatz

4-Gänge-Menü mit Blick aufs Schiff

24.5.2016 - Fast im Ijsselmeer
Unser Liegeplatz direkt vor dem Restaurant Ostergoo gefällt uns so gut, dass wir morgens dort frühstücken gehen. Koffee, leckere Zimtteilchen, Eier und Yoghurt, wir sitzen lange, bis wir uns endlich aufraffen. Vor dem Ablegen wollen wir noch den neuen Kartenchip in den Plotter schieben, aber der alte will nicht aus seinem Slot. Schließlich gelingt es Britta doch, den Chip mit einem Messer aus dem Schacht zu fummeln, dabei fliegt er in hohem Bogen nach hinten und bleibt wenige Zentimeter vor der Deckskante liegen. Uff, fast 350 Euro versenkt. Zu allem Überfluss funktioniert der neue nicht, er soll alle Karten von Holland bis zu den Kanaren enthalten, aber der Simrad-Plotter liest ihn nicht ein. Also die alte Karte wieder rein, die allerdings keine Details vom Fahrgebiet zeigt.
So kommen wir nach dem Ablegen auch gleich an der ersten Kreuzung von Fahrwassern ins Trudeln. Die roten Tonnen links oder rechts? Um die kleine Insel noch herum oder nicht? Während wir noch diskutieren, schiebt sich der Kiel von randale nordic schon in den Modder. Aha, Britti hatte Recht, die roten bleiben backbord.
Wenig später biegen wir in den Prinses Margriet Kanal ein, einen der Hauptkanäle durch Friesland. Wir motoren südwärts. Später können wir sogar segeln, der Code Zero zieht uns voran. In Böen erreicht der Wind über 20 Knoten und wir rauschen streckenweise mit über 8 Knoten dahin, überholen sogar kleine Frachter. Auf einem Vormwindstück passiert es dann, das Schiff schaukelt sich auf, luvt stark an und schießt fast in die Sonne. Doch wir reagieren richtig, während Britta den Zero ausrauschen lässt, hechte ich zum Motor, starte ihn und lege den Hebel auf Vollgas während Karl-Heinz das Schiff in den Wind dreht. Wir schaffen es, das knatternde Segel einzurollen und gehen wieder auf Kurs. Schwein gehabt, so weit war es nicht mehr bis zum Ufer.
Am späten Mittag laufen wir in Lemmer ein, das Segelzentrum Frieslands. Wir kommen an einem halben Dutzend Yachthäfen und Marinas vorbei, aber wir laufen bis direkt in die Innenstadt. An der ersten Brücke in die Stadt bezahlen wir unser Klompgeld, die Gebühr für die Passage. Von der Brücke wird ein Holzschuh an einer Angel herabgelassen, worein man sein Geld steckt.
Wir liegen direkt an der Partymeile der Stadt, links und rechts des Kanals sind Restaurants, Kneipen, Geschäfte. Viel los ist allerdings Ende Mai und so mitten in der Woche nicht, trotzdem ergattern wir den letzten Liegeplatz. Wir bummeln durch die Stadt und kaufen ei, später gibt es Fischsuppe und Spargel mit Schweinesteaks. Zum Nachtisch frische Erdbeeren mit Vla, dem köstlichen holländischen Pudding.

25. Mai 2016 - Sie haben ihr Ziel erreicht
Ich werde eine halbe Stunde vor Lelystadt wach, beende mein Mittagsschläfchen im Salon. Bei der Fahrt von Lemmer nach Lelystadt ist mal wieder kein Wind, wir laufen wieder unter Maschine. Um 11 Uhr ist uns nach einem zweiten Frühstück und wir durchforsten das Schiff nach Reste von Essbarem. Eine halbe "Ahle Worscht", Schinken, Käse. Und dann sind da noch ein paar Flaschen Bier. So nimmt das Verhängnis seinen Lauf, bereits eine Stunde vor Mittag trinken wir das erste Bierchen. Und dann noch eins. Um ein Uhr ereilt mich dann bleiernde Müdigkeit und ich verschwinde mit einem verständnissuchenden Blick unter Deck zu meinem Schläfchen. Mannomann, sollte nicht zur Gewohnheit werden.
Als wir in die Flevomarina einlaufen bin ich wieder halbwegs fit, wir finden schnell unseren Liegeplatz an Steg 7. Unser Heimathafen für den Rest der Saison. Ich hatte den Platz bereits von zuhause aus gebucht. Der Hafenmeister empfängt uns freundlich, erklärt uns alles und gibt uns unsere Hafenkarte. Die Marina ist wirklich klasse, bietet allen Komfort und auch technische Möglichkeiten. Alle Servicebetriebe sind vor Ort, vom Segelmacher bis zum Motoren-Service. Und auch die Atmosphäre ist toll, etwas außerhalb gelegen, mitten im Grünen mit einem tollen Strand direkt angrenzend.
Gegen 19 Uhr kommt Andrea an, um Britta und Karl-Heinz abzuholen. Im Gepäck eine Riesenüberraschung: Eine Eiswürfelmaschine. Ich flitze schnell ins Restaurant um eine Flasche Tonic zu kaufen. Bereits 10 Minuten später klötern die ersten Eiswürfel ins Glas. Gin Tonic, gekühlt.
Abends gehen wir in das Restaurant direkt am Yachthafen. Auch davon sind wir begeistert. Tolles Essen mit Blick auf den Yachthafen. Als die Sonne rot im Ijsselmeer versinkt finde ich es fast zu perfekt.
Morgen werden Britta und Karl-Heinz von Bord gehen, ich bleibe noch bis Sonntag und werde mit Merle und Ingmar nach Hause fahren, die Freitag für 2 Tage in die "Prinz-William-Suite" (wie wir die Achterkajüte nennen) einziehen. Ich blicke zufrieden auf den ersten Teilabschnitt meiner Reise zurück. Alles hat geklappt, aber doch wieder anders als geplant. randale nordic hat sich wieder als tolles Fahrtenschiff bewiesen, sowohl beim harten Aufkreuzen als auch bei stundenlanger Motorenfahrt ist das Schiff eine zuverlässige Partnerin und auch unser Stück Heimat, das mit uns reist. Es bleiben tolle Eindrücke von den Landschaften, den Erlebnissen und vor allem von uns, Karl-Heinz, unserem Performance-Abspüler und Bordingenieur und meiner geliebten Britti woman.

Sollst du denn immer so viel Wasser verbrauchen beim Abwaschen?

Mein Greifswalder Mädchen an ihrem neuen Liegeplatz