11. Mai 2018 – Keep on sailing
Am Morgen des 11. Mai passiere ich mit randale nordic die Molenköpfe der Flevomarina in Lelystad. Wir motoren um die Hafenmole, gehen auf Marschfahrt und werfen einen letzten Blick auf den Heimathafen der letzten zwei Jahre. Mit an Bord sind meine beloved Brittiwoman und Katrin und Neußi. Wir wollen das Schiff zwei Tagesreisen weiter bringen, über Amsterdam durch den Nordseekanal nach Scheveningen.
Von nun an wird der Bug des Schiffes nur noch Richtung Süden zeigen, bis wir Lanzarote erreicht haben. Die Reise in die Karibik, die wir letztes Jahr unterbrochen hatten, weil Sidika und Parvane zu uns gekommen sind, geht weiter. Ziel für dieses Jahr ist der kleine bretonische Ort Roscoff am Ausgang des Ärmelkanals, nördlich von Brest. Der Winter war lang, aber wir haben ihn genutzt, um das Schiff fit für die Reise zu machen. Das Unterwasserschiff saniert, die Manschette des Saildrive ersetzt und diverse Gelcoatschäden beseitigt.
Das Schleusenmanöver an der Schleuse in Lelystad läuft routiniert, die Fender hängen an der richtigen Stelle und die Festmacher finden sicher die richtigen Poller. Wir laufen zusammen mit einem Frachter aus der Schleusenkammer, passieren die Batavia, den Nachbau eines Ostindienfahrers, setzen im Hafenbecken das Großsegel und den Code Zero und nehmen Kurs auf Amsterdam. Ein sonniger, ruhiger Segeltag erwartet uns. 10 Seemeilen vor Samsterdam schläft der Wind ein und wir starten die Maschine. Wir verbringen die Stunden mit Chillen, Sonnen und Essen. Als wir mit nur wenigen Metern Abstand an einer Fahrwassertonne vorbei rauschen ermahne ich mich selbst: Reiss, dich zusammen, Jani Schlafmütze. Wäre doch wirklich schade, die Reise wegen eines Rammings beenden zu müssen.
In der Schleuse vor Amsterdam wir es wuselig, ein Vorgeschmack auf den völlig überfüllten Sixhaven direkt in der Innenstadt von Amsterdam. Erst nach langem Manövrieren finden wir eine Nische, in die wir randale nordic bugsieren können. Nach dem zweiten Gin Tonic geht die Argo bei uns längsseits, wir sind mit Andrea und Karl-Heinz verabredet. Wir kippen noch ein Begrüssungsbier und stürzen uns dann ins Amsterdamer Straßenleben. Unfassbar wie lebendig die Stadt immer wieder ist und wieviel Menschen auf den Straßen unterwegs sind. Neußels laden uns in ein Restaurant ein, einen Libanesen. Humous mit libanesischem Brot, Lamm und exotisch gewürztes Hähnchen. Saulecker.
Ziemlich platt beenden wir den Abend wie schon soviele davor. Während Karl-Heinz schon in seiner Ecke im Cockpit die Augen zumacht köchelt die Maschine Espresso, es gibt einen Willi und ein Stück Schokolade. Lets call it a day.
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12. Mai 2018 - Sixhaven
Was für ein Gewusel. Morgens um 8 kommt langsam Leben in die Seglergemeinde. Mein Blick vom Cockpit in die Runde offenbart einen völlig zugestopften Hafen. Plan war eigentlich, früh zu starten, um die ablaufende Tide der Nordsee zu nutzen und schnell südwärts nach Scheveningen zu kommen. Aber das wird nichts, 3 Schiffe liegen direkt vor uns im Päckchen und auch die Wege zur Hafeneinfahrt sind dicht. Na dann, keep calm, mach Frühstück .Wir schmeißen unsere Vorräte und die der Argo zusammen und frühstücken zu sechsts im Salon von randale nordic.
Gegen 10 Uhr löst sich dann der Pfropfen im Hafen und wir können auslaufen. Tschüß, Andrea und Karl-Heinz, bis nächste Woche. Wir motoren in einem Pulk
von Motoryachten den Nordseekanal nach Ijmuiden. Neußi steuert das Schiff sicher auf der rechten Fahrwasserseite entlang, wir passieren Containerterminals, Werften, aber auch Felder und
Wiesenlandschaften. 2 Stunden später passieren wir die Schleuse in Ijmuiden, es geht 2,80 Meter nach oben und der Kanal spuckt uns in die Nordsee.
Wir passieren die Molenköpfe, setzen Segel und gehen auf Süd-Süd-Ost-Kurs. Der Wind ist recht schwach, weite Strecken legen wir unter Maschine zurück, immer parallel zu den endlosen
Nordseestränden Hollands.
Gegen 18 Uhr erreichen wir Scheveningen. Bei der Hafeneinfahrt fängt uns gleich der Hafenmeister ab, er habe keinen Liegeplatz für uns, die ganze Woche ist eine riesige Regatta und der Hafen ist ausgebucht. Na klasse. Er bietet uns einen Platz im “Dritten Hafen” an. Wir motoren dorthin, der von Möven in Beschlag genommene Steg ohne Strom und Wasser sieht allerdings mehr aus wie der “Letzte Hafen”. Dagegen ist der Industriehafen Duisburg West geradezu idyllisch, aber wir haben keine Wahl. Wir wandern zurück zum Hafenmeister, bezahlen unsere 14,10 Euro Hafengeld und fangen unser Auto wieder ein, dass wir bereits vor dem Start hierher gebracht hatten.
Es gelingt uns nachhaltig, uns den Hafen mit Gin Tonic und Weißwein schön zu trinken. Als dann auch noch das Schweinefilet in Pflaumensauce dampfend vor uns steht, ist die Welt wieder wunderschön.
randale nordic bleibt nun diese Woche hier liegen, bis ich nächste Woche mit Valentin und Karl-Heinz starte, um das Schiff in die Bretagne zu segeln. Hoffentlich passiert meinem Greifswalder Mädchen nichts, der Hafen ist recht ungeschützt und für die Woche ist Wind angesagt.
20. Mai 2018 – Viel Schaum, Mecker und Sandbänke
Am Abend des 19. Mai kommen Britta, Karl-Heinz, Valentin und ich am Schiff an. Wir hatten uns in Dinslaken getroffen, dem Schnittpunkt unserer Routen nach Den Haag/Scheveningen. Die Sachen von Valentin und Karl-Heinz sind schnell umgeladen, die letzten 200 Kilometer fahren wir zusammen. Wir finden das Schiff in einer schaumigen Kloake vor, der Rumpf ist von dem Rotz bedeckt. Naja, kümmern wir uns morgen drum. Wir beladen das Schiff. Immer wieder erstaunlich, wie die Lebensmittel, Klamotten und die Ausrüstung im Bauch von Nordi verschwinden.
Zum Abendbrot fahren wir nach Rotterdam. Wir sind dort mit Mark, Nicole und Timmi verabredet. Wir sitzen in einem Restaurant direkt am alten Hafen, bestaunen aber vorher noch die spektakuläre neue Markthalle und die kubischen Häuser gegenüber. Rotterdam ist eine echte Boomtown, voller Leben, Architektur und Menschen aller Couleur. Mehr als eine Reise wert. Der Abend verläuft super, obwohl wir ewig auf unsere Fischsuppe, die Ossenhaas (Steaks) und das Schokofondue warten.
Am nächsten morgen verabschiede ich meine Brittifrau, wie bei jedem Abschied von ihr habe ich einen Kloß im Hals. Ich schaue ihr nach, bis der Multivan um die Ecke verschwunden ist. Bis in zwei Wochen, pass auf dich auf.
Wir starten die Maschine und fahren das Boot in die Hauptmarina, bunkern dort Wasser und befreien das Schiff vom Schnodder der letzten Woche. Vor dem Auslaufen schaue ich noch nach dem Ölstand der Maschine. Ich höre meinen Vater sagen: Peting, hast du schon nach dem Öl geguckt? Sorge um die Dinge, ehe sie enstehen, hatte er mir als 6-Jähriger in mein Poesiealbum geschrieben. Mein Vater ist letzte Woche gestorben, aber er wird immer mit mir segeln.
Dann laufen wir endlich aus, Kurs Südost. Unser Ziel ist Boulogne sur Mer, südwestlich von Calais. Aufgrund des guten Wetters wollen wir die Nacht durchsegeln, für die rund 150 Seemeilen werden wir wohl um die 30 Stunden brauchen und morgen Nachmittag ankommen. Wir passieren Rotterdam, unsere Augen suchen den Horizont nach querender Großschifffahrt ab und ich tippe die kleinen AIS-Dreiecke auf dem Plotter an, um den Kurs der Riesen zu erfahren.
Mit bis zu 9 Konoten rauschen wir an der Osterschelde vorbei, essen Wurst, Käse, Brot und gönnen uns ein kleines Schnäppschen. Valentin versorgt uns wieder liebevoll.
Gegen Abend zieht Nebel auf und der Wind frischt auf. Der Kurs vor der holländischen Küste ist etwas tricky, Großschifffahrt, Sandbänke und Windparks wollen umschifft werden. Auf dem AIS sehen wir, das ein Küstenschutzboot wendet und auf uns zu hält. Laut hupend und winkend hält es auf uns zu. Ich war nicht auf Kanal 16, verdammt. Schnell springt Karl-Heinz auf und geht auf Empfang. Der erboste Funkoffizier erklärt uns an der Funke, dass wir in ein Sperrgebiet eingelaufen sind, wo ein Windpark entsteht. Wir sollen es auf 110 Grad verlassen, demütig schleichen wir Richtung Osten davon.
21. Mai 2018 – La Grande Nation
Das Wachboot begleitet uns bis zur belgischen Küste. Wir sehen es nicht in dem Nebel, aber das AIS Signal läuft parallel zu uns. An der Grenze zu Belgien ruft er uns erneut, ermahnt uns aufmerksam zu sein und wünscht eine gute Reise. Dann entlässt er uns in die flanderschen Sandbänke.
Vor der Küste Belgiens liegen bis zu 20 Kilometer von der Küste entfernt Sandbänke, die uns gefährlich werden können. Man muss sehr sorgfältig navigieren, die kreuzenden Frachter und Tanker aus Antwerpen kommend machen es nicht leichter. Ich steuere das Boot bis Nachts um 2 Uhr durch die Fahrwasser, dann übergebe ich an Karl-Heinz, der die anstrengende “Hundewache” übernommen hat. Als wir gegen 6 Uhr Calais erreichen, übernehme ich wieder. Gegen 8 Uhr ist die Mannschaft dann komplett an Deck, es gibt Frühstück.
Bevor wir gegen 10.30 Uhr Boulogne de Mer erreichen, setze ich die Trikolore unter der Steuerbordsaling. Wir sind in Frankreich. Wir machen in Boulogne im Yachtclub fest, zum Hafenmeister müssen wir eine Rampe erklimmen, die bei Niedrigwasser recht steil ist.
Die Stadt ist nicht schön im eigentlichen Sinn, wirkt aber sehr lebhaft. Pfingstmontag ist auch in Frankreich Feiertag, aber auf den Straße ist viel Leben. Wir kehren in ein Restaurant ein, sitzen draußen mit Blick auf die Kathedrale. Ich traue mich an die normannische Fischplatte. Valentin rät, auf die Austern Tabasco und Zitrone zu träufeln. Ein Super-Tipp, lecker, nur an die Schnecken komme ich nicht ran.
Wieder an Bord kramen wir die Espresso-Maschine aus dem Schapp. Dazu wie immer, ein Schappes und ein Stück Schoko.
22. Mai 2018 - Passatsegeln
Um 6 Uhr ist bereits ein Höllenlärm in der Pantry, Karl-Heinz wäscht das Geschirr vom Vortag ab. Valentin und ich quälen uns aus den Koje und starten ebenfalls in den Tag. Ohne Frühstück laufen wir früh aus, um von dem ablaufenden Hochwasser nach Dieppe gezogen zu werden. Wir setzen nur den Code Zero und gehen vor den Wind auf 200 Grad, immer parallel zur 120 Kilometer langen Alabasterküste, ein aus Kreide und Kalk bestehendem Ufer, das bis zu 100 Meter hoch steil ins Meer abfällt. Hmm, da sind die Kreidefelsen von Dover und Rügen so berühmt, und hier gibts das ganze in XL.
Valentin brutzelt Spiegeleier zum Frühstück, bei dem Geschaukel auf dem Vorwindkurs eine echte Challenge. Der Himmel ist strahlend blau, wir genießen das entspannte Segeln. Als wären wir bereits im Passatwind, der uns später über den Atlantik schieben soll. Seit einigen Tagen haben wir wieder ein Leck im Druckwassersystem, die Pumpe für die Förderung des Trinkwassers springt alle paar Minuten an und in der Bilge steht Wasser. Irgendwann hat Karl-Heinz genug gechillt und macht sich auf Lecksuche. Er findet die undichte Stelle beim Hauptverdächtigen, der Heckdusche, mit der man sich draußen im Cockpit abduschen kann. Das Problem ist, dass man dazu im Heck des Schiffes durch eine kleine Luke auf dem Rücken liegend im Dunkeln mit der Stirnlampe die undichte Stelle finden muss. Der kleine Zwischenraum ist voll gestopft mit Technik, Kabel, Leitungen und der Auspuff vom Motor versperren den Zugang. Aber Karl-Heinz schafft es. Bravo, du First-Class-Bordingenieur.
Während dessen zaubert Valentin eine Paella, die wir im Cockpit verschlingen. Gegen 18 Uhr erreichen wir Dieppe, das älteste Seebad Frankreichs, gelegen in einer Nische zwischen den Kreidefelsen. Wir finden einen Liegeplatz, stellen aber fest, das dies nicht der Gästesteg ist und legen das Schiff auf einen anderen Platz. Da wir ja jetzt zweimal angelegt haben, stellen wir fest, das uns ein zweiter Anlegedrink zusteht. So trinken wir vor dem abendlichen Stadtbummel noch einen Gin-Tonic.
23. Mai 2018 – Lazy day
Tidennavigation wie Jani sich das vorstellt: Wir wollen nach Cherbourg, das sind gut 100 Seemeilen. Bei etwas mehr als 5 Knoten brauchen wir ca.20 Stunden. Das Wasser läuft jeweils 6 Stunden in den Ärmelkanal und 6 Stunden wieder raus. Es ist besser, 2 mal eine ablaufende Tide mit zunehmen. Also muss man kurz nach Hochwasser auslaufen, die mitlaufende Tide schiebt ordentlich. Und da wir im Hellen in dem fremden Hafen ankommen wollen, bedeutet das: Wir können auschlafen, wir starten mit dem Abendhochwasser um 18 Uhr.
So kommt auch erst morgens um 9 Leben ins Schiff. Ich bin etwas “mal a tete”, das lange Schlafen bekommt mir wohl nicht, eine Aspirin hilft. Das Frühstück nehmen wir im Cockpit, dabei beobachten wir das Treiben um uns herum. Die Hafenmauer wird mit einem riesigen Kärcher gereinigt, ein Auto mit Lautsprechern wirbt für den Zirkus, Fischstände werden aufgebaut. Dieppe hatte sicher schon bessere Tage, aber die Atmosphäre dieses alten Seebades an der rauhen Ärmelkanalküste in der Normandie ist großartig.
Gegen Mittag erkunden wir die Stadt, erklimmen eine Anhöhe, auf der eine Kirche steht. Von dort oben haben wir eine atemberaubende Aussicht auf die Hafeneinfahrt, die Englandfähre wird von der Brandung in den Hafen geschoben.
Valentin kauft den letzten Fisch vom Fischhändler auf dem Vorplatz des Hafens, wir lassen ihn uns mit Kartoffeln, Speckstippe und Salat schmecken. Etwas voll gefuttert machen wir um 17 Uhr das Schiff startklar, Karl-Heinz meldet uns auf “canal douze” ab. randale nordic – randale nordic, we are leaving the habour, going Cherbourg. Gegen 18 Uhr dampfen wir mit Fullspeed durch die Hafeneinfahrt hinaus in La Manche, wie die Franzosen den Ärmelkanal nennen.
24. Mai 2018 – Eine lange Nacht, Fischernetze und ein blinder Passagier
Im Slalomkurs entfernen wir uns von der Alabasterküste. Hunderte von Fischernetzen sind ausgelegt, gekennzeichnet nur durch eine kleine Flagge an einenm Stab, in der aufgewühlten See erst auf 200 Meter auszumachen. Eine Stund später sind wir frei von der Küste und gehen auf 262 Grad, direkter Kurs. Der Wind spielt zunächst mit, wir segeln unter Großsegel und der Fock, unserem “Brett”, dem wunderbar ziehenden Vorsegel aus Cruisinglaminat. Mit der ablaufenden Tide erreichen wir bis 8 Knoten, quälen uns aber später auch mit 4 Meilen die Stunde dahin, als die Strömung gegen uns steht. In der Nacht verlässt uns der Wind, wir laufen wieder mal mit Maschine. Gegen 1.30 Uhr kommt Karl-Heinz aus der Koje gekrochen, wir trinken noch gemeinsam einen Tee. Die Nacht ist nicht wirklich kalt, aber langsam kriecht doch die Kühle durch die Klamotten. Ich freue mich auf die Koje, wir hatten vorauschauend auch die Dieselheizung angeworfen.
In den Morgenstunde landet eine junge Taube auf dem Boot. Sie krallt sich am Bimini fest, später traut sie sich auf das Teakdeck im Cockpit und reist stumm und aufgeplustert mit uns. 10 Seemeilen vor der Küste verlässt sie und dann wieder und nimmt Kurs Richtung Land.
Wir kommen um 13.30 Uhr in Cherbourg an. Zu einer Stadtbesichtigung können wir uns nicht aufraffen, wir checken bei der Hafenmeisterin ein und besichtigen die Duschen. Im Zubehörladen besorgen wir einige Kleinigkeiten. Eine Gastlandflagge für Guernsey, Dichtungen für die Dusche und eine kleine Handpumpe, um die Reste des Wassers von den Undichtigkeiten der Heckdusche aus den letzten Winkeln zu saugen. Bevor wir den Cobb-Grill anschmeißen und Rumpsteaks grillen, reinige ich noch die Persenning vom Bimini von den Hinterlassenschaften unseres blinden Passagiers.
Unsere Alkoholika als Aperativ stellen wir um, von Gin Tonic auf Pastice. Zu den Steaks essen wir Salat und als Nachtisch gibt es die Trilogie aus Schokolade, Espresso und einem Obstler. Vive La France.
25. Mai 2018 – Nebel, Racies und Eddies und Delfine
Als ich morgens aus der Luke schaue sehe erstmal nicht. Nebel! Die Sicht ist unter 50 Meter. Ich gehe erstmal mit Karl-Heinz Baguette und Croissants kaufen. Viel Baguette erreicht das Schiff nicht mehr, während wir durch die Straßen von Cherbourg laufen reißen wir uns immer wieder ein Stück ab. Wir fotgrafieren noch die Statue von Napoleon, die am Hafen steht, er zeigt Eichtung Britannien.
Wir finden kaum das Schiff wieder, die Sicht ist auf 20 Meter runter. Trotzdem entschließe ich mich zum Auslaufen. Mit viel Vertrauen in die Elektronik dampfen wir durch die Molenköpfe ohne sie zu sehen und starren in die Nebelwand. Es geht Richtung Guernsey, die größte der Kanalinseln. Der Kurs führt parallel zur Küste Richtung Cap de la Hague. Der Strom schiebt zunächst mit 2 Knoten mit. Auf Höhe des Caps reisst der Nebel auf und gibt den Blick auf die felsige Küste frei. Der Strom erreicht hier 6,5 Knotem, wir laufen mit über 12 Knoten. Um uns herum Racies und Eddies, wie die Strömungen und Wasserstrudel hier genannt werden.
3 Stunden später erreichen wir St. Peters Port auf Guernsey. Vor der Hafeneinfahrt begegnet uns ein riesiger Fährenkatamaran, die mit über 30 Knoten seine Passagiere nach England bringt. In seiner Hecksee spielt eine Herde Delfine, die mit dem rasenden Ungetüm mithalten. Als das Schiff vor dem Hafen die Fahrt drosselt wird es der Delfinschule zu langweilig und sie kommen zu uns geschwommen. Sie umkreisen das Boot, tauchen unter ihm durch und schwimmen ein kleines Stück mit uns, bevor ihnen auch das zu langweilig wird. Was für ein Empfang. Das Wasser ist hier schon deutlich blauer, die Delfine, die Insel. Wahnsinn.
Wir laufen in den Hafen ein und gehen an den Wartesteg. Vor der Victoria Marina liegt eine Schwelle, die nur bei Hochwasser zu passieren ist und sonst trocken fällt. Die Hafenbehörde, Guernsey Border Agency, kommt mit einem kleinen Boot längsseits und überreicht uns die Papiere zum Einklarieren. Welcome to Guernsey ruft er uns zu, wir füllen die Papiere im Cockpit aus und geben sie ihm zurück, als er uns 1 Stunde später zu unserem Liegeplatz delegiert.
Wir liegen mit randale nordic direkt an der Waterfront, wir schauen auf die Promenade, Restaurants und Diskotheken. Auf dem Boulevard kreuzen teure Autos umher. In Verbindung mit den historischen Gebäuden ein tolles Flair. Beim Bummeln im Hafen entdecken wir einen Fischhändler und kaufen 18 Austern. “Watch right” steht an den Fußgängerüberwegen auf die Straße gepinselt, hier herrscht Linksverkehr.
Wieder an Bord lassen wir den Abend ausklingen, Valentin öffnet uns die Austern, die wir mit einer Sauce aus gehackten Zwiebeln, weißem Balsamico und Tabasco genießen. Unser gut gekühlter Schlauch mit Weißwein macht einige Runden bei uns im Cockpit. Morgen schauen wir uns die Stadt an.
26. Mai 2018 What a nice place
St. Peters Port gefällt uns richtig gut. Die Stadt ist eine Mischung aus gut gepflegten Häusern, historischen Gebäuden, Kirchen und Straßencafes Wir laufen kreuz und quer durch die Stadt, entdecken immer wieder schöne Ausblicke und Plätze. In einem Cafe kommen wir mit einer jugen Schweizerin in Kontakt, die uns einige Tipps geben kann.
Nach unseren Einkäufen leihen wir uns 2 Motorroller und eine kleine Yamaha aus. Wir haben die Maschinen bis morgen Nachmittag und machen spätnachmittags noch eine kleine Tour Richtung Osten, unser Ziel ist eine kleine in den Fels gehauene Marine. Wir bestellen uns im Yachtclub einen Cappuccino und genießen den idyllischen Anblick in der Abendsonne. Valentin hat 20 Jahre nicht auf einem Motorrad gesessen, kommt aber super zurecht. Wir flitzen über die kurvigen Straßen zurück nach St. Peters Port. Die Landschaft wirkt wie aus einem Rosamunde Pilcher Film. Wir passieren kleine Ortschaften mit ihren Häusern aus Granit, grüne Landschaft und immer wieder Ausblicke auf das Meer, den Little Russel, die Meerenge zwischen Guernsey und Herm über die wir auch gekommen sind.
Wieder an Bord kümmern wir uns um unser Abendessen. Es gibt köstliche Scalops, Jakobsmuscheln, vorweg. Valentin brät sie in Knoblauch. Unser Hauptgang ist ein Kabeljaufilet mit einer Tomatensuppe, garniert mit frischem Basilikum, den wir zusammen mit Schnittlauch und Petersilie in Töpfen unter der Sprayhood züchten. Der Weißwein fließt wieder reichlich und wir verklönen den Abend im Cockpit.
Spät Abend nehmen wir dann nochmal die Bodenplatten hoch und entfernen die Reste von dem Wasser, das aus unserer Frischwasseranlage in den Bauch des Schiffes geflossen ist. Das Leck im Druckwassersystem hatte unser First-Class-High-Performance-Bordingenieur Karl-Heinz ja schon repariert, jetzt finden wir mit einem kleinen Schlauch unserer Handpumpe auch den tiefsten Punkt im Boot und können das Wasser restlos eentfernen. Hoffentlich.
Gegen Mitternacht erhalte ich noch eine Whattsapp-Nachricht vin Britta. Sie bricht gerade mit ihren Freundinnen auf zum Flughafen, sie wollen in unser Appartment auf Lanzarote. Guten Flug, Britti Woman, du fehlst mir so sehr.
27. Mai 2018 – Bays, Oldtimer und dicke Steaks
Heute gibt es ein deftiges Frühstück im Valentin-Style: Spiegeleier mit Speck und Pilzen, saulecker. Und das im Cockpit des Bootes mit Blick auf St. Peters Port, das langsam erwacht.
Gegen 10 Uhr starten wir zu unserer Inselerkundung mit den Rollern. Wir fahren zunächst an den südöstlichsten Punkt der Insel. Das Cap liegt auf über hundert Metern, und da die Sicht heute gut ist, erkennen wir die Nachbarinseln Herm, Sark und sogar Jersey. Spektakulär.
Die Fermanbay ist wie aus dem Bilderbuch. Eine sichelförmige Bucht, heller Strand, Felsen und grüne dschungelartige Vegetation. Wir laufen einen engen Weg durch den Wald um zu einer Stelle zu gelangen, die diesen Ausblick ermöglicht.
Wir sind immer wieder beeindruckt, die Schönheit der Insel ist so makellos. Im Westen und Norden ist Guernsey flacher, weiter. Blicke über endlose Strände, tiefblaues Meer und historische Anlagen. Die Inseln liegen im Golfstrom, was das ganze Jahr ein mildes Klima sicherstellt. Überall auf der Insel sind Palmen angepflanzt.
Unseren Mittag gestalten wie very british. Fish and Chips, mit diesen kleinen obligatorischen knallgrünen Erbsen. In dem Ausflugslokal treffen wir auf eine Flotte klassischer britischer Sportwagen. Valentin erklärt uns die Besonderheiten der Healys, Triumphs und Austins. Wunderschöne Gefährte. Morgen ist in St. Peters Port Hill Climb, die alten Boliden werden auf einer kurvigen Strecke den Berg hochgescheucht. Wir sind schon sehr gespannt.
Der Rückweg entlang der Nordküste führt uns immer wieder durch kleine Seebäder. Wieder am Boot beschließt Karl-Heinz schwimmen zu gehen. Ich begleite ihn noch einmal in die Fermanbay, traue mich aber nur bis zu den Knien in den 15 Grad kalten Ärmelkanal, während Karl-Heinz sich ohne zögern hinein schmeißt. Respekt, Herr Scherer.
Bereits am Vortag hatten wir 3 riesige Ribeyesteaks von Rindern aus Guernsey gekauft. Die grillen wir Abends auf dem Boot. Mit Sicherheit eins der besten 10 Steaks, die ich je gegessen habe, butterzart und aromatisch. Zum Abschluss des Tages öffnen wir noch die Flasche Calvados, die wir am Vormittag auf dem französichen Markt gekauft hatten. Noch ein bisschen mehr von allem, und wir würden einen Einbürgerungsantrag stellen, so schön war der Tag.
28. Mai 2018 – Klar Schiff
Klar Schiff ist angesagt. Den ganzen Vormittag schrubbe ich an randale herum, Deck waschen, Aufbau polieren, Sprayhood mit Schimmelentferner säubern. Die arme Mannschaft scheuche ich von Bord, Karl-Heinz und Valentin werden auf Landgang geschickt, bis alles glänzt.
Gegen Mittag gehen wir dann gemeinsam zum Hill Climb. Heute ist “Bank Day”, alle Läden, Geschäfte und Schulen haben geschlossen. So etwas wie ein beweglicher Ferientag. Im Süden der Stadt geht es in kurvigen Serpentinen auf eine Anhöhe. Dort findet das Autorennen statt. Die Autos, Motorräder; Quads und Carts werden unter ohrenbetäubenden Lärm den Berg hinauf gejagt. Es sind interessante Gefährte dabei, neben aufgemotzen Serienautos sind auch Einzelbauten dabei, die extra für diese Bergrennen konstruiert wurden. Am schnellsten schaft es ein Formel-3-Rennwagen, der die Strecke in weniger als 30 Sekunden schafft.
Als akustisches Gegenprogramm gehen wir auf die südliche Außenmole vom Hafen, die am Ende von einer riesigen Befestigunganlage überragt wird. Wir stehen auf der Pier und schauen auf die einlaufenden Schiffe. Am imposantesten sind die großen Schnellfähren, 70 Meter lange Trimarane und Katamarane, die mit 35 Knoten zwischen den Inseln und dem Festland pendeln.
Wir besuchen kurz den ansässigen Yachtclub und trinken ein Bier auf der Dachterasse. Members of other Sailclubs are welcome, ansonsten eine geschlossene Gesellschaft, very british. Da das Restaurant keine Muscheln im Angebot hat such wir uns etwas in der Innenstadt. Wir können draußen sitzen und bei sonnigen Wetter das Treiben beobachten, während wir jeder einen dampfenden Topf mit Moules in Weißwein-Sahne-Sauce bekommen.
29. Mai 2018 – Jumping to Jersey
Die Kanalinseln unterstehen direkt der Britischen Krone, gehören also nicht zum Vereinigten Königreich. Folge ist, dass die Inseln sich selbst verwalten und auch eigene Gesetze haben, insbesondere Steuergesetze. So kostet der Liter Diesel auch nur 62 Pence, als wir am Morgen vor dem Auslaufen das Schiff noch einmal betanken.
Wir können den Hafen nur 3 Stunden vor und nach Hochwasser verlassen, damit wir über den “Sill”, die Schwelle kommen, die den Hafen vor dem trockenfallen bewahrt. Eigentlich wollten wir später starten, um die Strömung Richtung Jersey zu starten, die läuft aber erst wenn es auf Niedrigwasser in Guernsey zugeht. Verrückte Tidennavigation.
Uns erwartet ein toller Segeltag bei optimalen Bedingungen. Der Code Zero zieht uns bei 3 bis 4 Beaufort durch das Meer, das hier blaugrün ist. Ich denke beim Betrachten des Meeres an meine Brittifrau, petrol ist ihre Lieblingsfarbe, auch unser Wohnzimmer ist so gestrichen. Zum Frühstück rollen wir das Vorsegel kurz ein, damit uns die Frühstückseier nicht vom Tisch rollen. Das Essen hat eine hohe Priorität bei uns an Bord, da verzichten wir auch gerne mal auf etwas Geschwindigkeit.
Um 14 Uhr passieren wir Point Corbiere, das felsige Cap am Südwestende von Jersey und nehmen Kurs auf St. Helier, der Hauptstadt von Jersey. Wir segeln dicht unter der Küste und bewundern die ersten Villen, die in diesem Steuerparadies stehen. Vor dem Hafen müssen wir an einen Wartesteg, auch die St. Helier Marina hat ein Sill. Wir nutzen die Zeit zum Essen, Andrea hat uns köstliches Wildschweingulasch eingekocht, und für ein Mittagsschläfchen.
St. Helier vermittelt ein ganz anderen Eindruck als das lauschige St. Peter Port. Glasfronten, Banken, Finanzdienstleister an jeder Ecke. Dazwische viele Banker in ihrem typischen Outfit. In diesem Jahr scheint man mit Sneakern zum dunklen Anzug ganz weit vorne zu liegen.
Wieder an Bord gestalten wir einen Fernsehabend. Mit Herausforderungen. Ich weiß nicht, ob es ein internationales Gesetz gibt, dass es verbietet mehr als einen Kleiderhaken in den Duschen zu montieren und ein funktionierendes WLAN zu installieren. Diesmal kämpfen mir mit dem WIFI, um den Bericht von MareTV in der Mediathek über die Kanalinseln zu schauen. Schlussendlich hängt Karl-Heinz das Tablet mit Kabekbindern an die Decke, dort reicht der Empfang gerade so aus, den Bericht mit etwas Ruckeln zu schauen.
30. Mai 2018 – Jersey
Nach einem echt langsamen Start in den Tag suchen wir das Hafenbüro auf, um uns über Möglichkeiten einer Besichtigung der Insel zu informieren. Es wird ganz klassisch eine Busrundfahrt. Die Stunde bis zur Abfahrt nutze ich für ein Power-Shopping, ich besorge ein paar Mitbringsel.
Der Busfahrer aus Wales ist ein britisches Original. Er schafft es tatsächlich, während der 4-stündigen Tour über die Insel pausenlos zu reden. Aber er weiß wirklich viel über die wunderschöne Insel. Wir besuchen Point Corbierre, dass wir gestern vom Wasser aus gesehen haben, essen Mittag in einem netten Strandrestaurant und genießen immer wieder den Ausblick auf das Meer und die Küstenlinie, die wir aus dem betagten und klappernden Bus (Sorry guys, i have no Aircondition) sehen.
Am frühen Abend besorge ich noch etwas zollfreien Schnappes für die Bordbar, bevor wir uns zum Abendessen über die Austern und die Seezungen hermachen. Ich schenke den Kids vom Nachbarboot unsere letzte Schachtel Mini Ritter Sport und wir kommen mit den Eltern ins Gespräch. Die Familie lebt auf Guernsey und ist mit den Kindern nach Jersey gesegelt, da es auf Guernsey keinen McDonald gibt. Vielleicht waren wir deshalb so begeistert von der Insel.
31.Mai 2018 – Die letzte Etappe
Der Wecker geht um 5 Uhr. Um 8.20 Uhr ist Hochwasser, 3 Stunden vorher ist der Wasserstand hoch genug um die Schwelle vor dem Hafen zu passieren. Ganz schaffen wir es nicht, um 5.20 Uhr auszulaufen, aber wir sind früh unterwegs. Im Hafenbecken müssen wir warten, da eine Fähre gerade ablegt und den Vorhafen blockiert. Wir passieren die Hafenmolen und gehen Richtung Westen, Generalkurs 251 Grad. Wir haben 80 Seemeilen vor uns, werden also ca. 16 Stunden brauchen. Der Wind ist leider wieder sehr schwach, uns so laufen wir weite Teile unter Maschine. Im Lauf des Vormittags reißt der Himmel auf und es wird warm im Cockpit. Am frühen Nachmittag erreichen wir die Küste der Bretagne, setzten wieder die französische Gastlandsflagge unter der Steuerbordsaling und versuchen trotz schlechter Sicht Ausblicke auf die Küstenlinie zu erhaschen. Die “Rosa Granitküste” ist trotz der diesigen Sicht sehr eindrucksvoll. Ich freue mich schon jetzt sehr, dass randale nordic ein Jahr in Roscoff liegen wird und wir die Gegend erkunden können.
25 Seemeilen vor dem Ziel geraten wir in starke Regenschauer. Es prasselt heftig auf das Deck und wir verkriechen uns in Ölzeug vermummt hinter der Sprayhood. Danach ist der Wind völlig weg und wir laufen die letzten Meilen unter Maschine. Das Meer ist hier schon recht tief, und trotz der Windstille läuft eine sanfte Dünung, die eine Höhe von bis zu 1,50 Meter erreicht.
Gegen 21 Uhr erreichen wir Roscoff, unseren neuen Heimathafen. Ich bin sehr froh, dass die Reise so glatt lief. Außer unserem Malheur vor der belgischen Küste haben wir keine gravierenden Fehler gemacht, der Wind war meist auf unserer Seite und das Essen an Bord immer erstklassig.
Karl-Heinz, Valentin, Gentleman, es war mir eine Ehre mit euch zu seglen und freue mich schon auf die nächste Etappe.