14. Februar 2022 - Karibik reloaded

 

Am Abend des 14. Februar stehe ich endlich wieder an Bord von randale nordic. Ein erster Blick in die Runde beruhigt, alles sieht gut aus.

 

Anfang Januar mussten wir überraschend zurück nach Deutschland, unsere Gesundheit hatte uns einen Strich durch unsere karibischen Pläne gemacht. Und als wir dachten, wir können unseren karibischen Traum fortsetzen, fing Britta sich das Virus mit C ein. Nachdem es Britta überstanden hatte, ging sie jeden Morgen in das städtische Testzentrum. Am Samstag dann endlich grünes Licht, der Test ist negativ! Wir buchen sofort einen Zug nach Paris, ein Hotel für eine Nacht und Flüge nach Martinique. Am Montag bringt uns der ICE schnell und bequem in die französische Hauptstadt. Wow, bis zu 130 Knoten schafft er. Das Hotel ist direkt gegenüber vom Bahnhof, das Zimmer ist klein, kuschelig und romantisch. Wir machen noch einen Spaziergang zur Sacre Coeur, schnaufen den Mont Matre hinauf und belohnen uns mit einem Abendessen in einem kleinen Restaurant. Achja, meine Brittifrau mit mir in der Stadt der Liebe, seufz...

 

Der Flieger hebt am Mittwoch pünktlich ab, knapp 8 Stunden später (5 Stunden bekommen wir durch die Zeitumstellung geschenkt) landen wir in Fort-de-France, nehmen für 70 Euro ein Taxi zur Marina und sind gegen 18 Uhr an Bord. Das Bier in der Bordbar hat Außentemperatur, 29 Grad. Aber wir sind beide glücklich und dankbar wieder hier sein zu dürfen.

 

Am nächsten Tag nehmen wir das Boot wieder in Betrieb. Segel und Sonnenpersenninge setzen, Wasser tanken, das Boot an den Strom anschließen. Der funktioniert erstmal nicht, aber nach 12 Jahren kenne ich ja die Mucken meines Greifswalder Mädchens. Ein bisschen rütteln hier, ein bisschen Kontaktspray da, und der Strom fließt wieder und auch der Kühlschrank springt an und bringt das Bier auf trinkbare Temperatur.

 

Wir nehmen Kontakt zu Blazenko auf. Er hatte in der Facebookgruppe „Martinique Cruisers“ einen Lift in die Grenadinen gesucht, um sich dort mit Freunden zu treffen. Ich hatte sofort aufgehorcht, als er das schrieb. Unser nächsten Ziel, Bequia, ist ca. 100 Seemeilen entfernt, was eine Nachtfahrt bedeutet. Und eine zusätzliche Wache mit Segelerfahrung können wir da gut gebrauchen. Blazenko ist Kroate und ist noch in Pula. Nachdem wir per WhatsApp die ersten Eckpunkte besprochen haben, stürzen wir uns gemeinsam in den „Online-Behördendjungel“. St. Vincent und die Grenadinen sind ein eigener Staat. Wir füllen Onlineformulare aus, schicken per Email Kopien unserer Reisepässe, Bootspapiere und Impfnachweise. Die Behörden von St. Vincent reagieren schnell. Aha, es ist noch ein PCR Test notwendig, nicht älter als 72 Stunden bei der Einreise. Eine knappe Kiste, wir warten schon 24 Stunden auf das Ergebnis und wir werden ca 20 Stunden für die Fahrt brauchen. Aber es klappt alles. Donnerstag steigt Blazenko in einen Flieger nach Paris und von dort nach Martinique und kommt Donnertagabend an Bord. Wir verstehen uns sofort, er ist sehr nett und unkompliziert. Lieber Blazenko, schön dass du an Bord bist! Am Freitag machen wir gemeinsam den PCR Test und bekommen einen Tag später das Testergebnis. Sonntagmorgen laufen wir aus, Kurs Süd.

 

Der Tag ist sehr sonnig und warm, wir setzen in der Bucht vor St. Anne das gereffte Großsegel und die Fock. Als wir aus der Windabdeckung von Martinique hinaus kommen, brist es auf. Der Passat erfasst uns raumschots mit 5 Windstärken - herrliches Segeln. „Alles gut, Mädchen ?“ „Alles sehr sehr gut“ schnauft randale nordic in ihre Bugwelle. Und auch die Crew ist zufrieden. Britta genießt das sonnige Wetter und die Wärme. Bereits mittags erreichen wir die Südspitze von St. Lucia. Leider auch ein selbstständiger Staat, so können wir die Insel nicht einfach anlaufen, sondern müssen in einem Rutsch weiter segeln. Wir passieren Orte mit klingenden Namen, die ich schon seit Jahren auswendig aus den Büchern kenne. Die Rodney Bay, Marigot Bay, Souffrier. Ich betrachte den ganzen Nachmittag die wunderschöne Insel, erkenne palmengesäumte Strände und grün bewachsene Berge. Gegen Abend passieren wir die Wahrzeichen der Insel, die beiden Pitons. Zwei spitze Berge, ca, 800 Meter hoch. Wir können in der Abendsonne schöne Fotos schießen und bereiten uns auf die Nacht vor.

 

Im St. Vincent Channel, dem freien Stück Atlantik zwischen St. Lucia und St. Vincent, brist es wieder ordentlich auf. Wir bergen die Fock vollständig, aber auch nur unter gerefften Großsegel erreichen wir Geschwindigkeiten bis zu 6 Knoten. Ich übernehme die erste Wache, gegen Mitternacht übernimmt Blazenko. Er ist ein erfahrener Segler, auch ohne große Einweisung kommt er mit dem Boot und dem Motor zurecht. Er ist sehr gnädig mit mir, und so kann ich bis 5 Uhr im Salon dösen, bevor ich wieder für die letzten Seemeilen die Wache übernehme.

 

Bereits auf Entfernung erkenne ich die 3 Milliardärsyachten, die in der Admirality Bay vor Anker liegen. Ich schätze die Länge der größten Yacht auf 70 Meter, die beiden beleuchteten Masten mit jeweils 5 Salingen erreichen eine ähnliche Höhe. Nachdem ich genug gegafft und gestaunt habe, nehme ich Kurs auf unseren Ankerplatz. Uns kommt ein Schlauchboot mit hoher Geschwindigkeit entgegen, fährt hinter uns eine Schleife und läuft parallel zu uns. Mit lautem Hallo begrüßt Andy von der Lust4Life seinen Segelbuddy Blazenko um uns dann einen guten Platz zum Ankern zu zeigen. Andy und Antonija sind auf einer 5-jährigen Weltumseglung und haben Blazenko ein paar Wochen an Bord. Die beiden sind sehr nett, laden uns gleich für den nächsten Abend zum Essen ein und begleiten uns bei den Behördengängen. Erst Health Clearing. Genau im richtigen Moment ist der Akku von meinem Iphone leer, auf dem die PCR Tests gespeichert sind. Schnell mit Honey, unserem Dinghy, zum Boot und die Powerbank geholt. Die grimmige Beamtin ist gut beschäftigt mit einer Crew, die ohne Tests eingereist ist. Sie fertigt uns nebenbei ab und wir bekommen einen Zettel. Damit können wir dann zu Customs und Immigrations. The house with the green Roof, gibt sie uns noch mit auf den Weg. Die Prozedur dort müssen wir leider zweimal durchlaufen, weil wir Blazenko von unserer Crewliste auf die der Lust4Life umtragen müssen. Als wir endlich die Stempel in unseren Pässen haben und mit jeder Menge Zetteln ausgestattet sind, ist der Vormittag rum.

 

Nachdem wir nun offiziell eingereist sind, schauen wir uns erstmal um. Wir sind sofort völlig begeistert von der kleinen Ortschaft. Port Elizabeth ist eine Mischung aus Disneyland und Karibik. Das Wasser der Admarility Bay ist türkisfarben, kleine pastellfarbene Häuschen säumen die Hauptstraße, die parallel zur Waterfront läuft. Shops, Restaurants und fliegende Obsthändler machen das Straßenbild perfekt. Britta und ich beschließen sofort, dass wir an diesem wundervollen Ort länger bleiben wollen. Abends besorgen wir uns dann noch Easter Caribian Dollars, die Währung im Süden der kleinen Antillen. Der Sonnenuntergang, zu dem wir eine kleine Bar mit Blick auf die Bucht ausuchen, rundet den Tag ab und wir klettern sehr zufrieden in unsere Kojen.

Wir bleiben 5 Tage auf Bequia, die Zeit verfliegt wie im Flug. Der Einladung zum Fischessen auf die Lust4Life folgen wir gerne. Wir bringen zwei Backmischungen deutsches Vollkornbrot und deutsches Bier mit. Der Fisch ist sehr lecker, Marlinfilet in Knoblauch gebraten. Davor, dazu und danach gibt es Rum. Mannomann, wir werden immer lustiger. Zum Glück geben uns die beiden eine Stirnlampe für den Rückweg mit, sonst würden wir vermutlich immer noch in der Admarility Bay nach randale nordic suchen.

Am nächsten Abend gehen wir gemeinsam zum Jamming in das Sailors Cafe. Life Musik vom feinsten. Die Stammband versteht sich wortlos, die Steeldrums, die Posaune und die Gitarren harmonieren perfekt. Immer wieder kommen Musiker mit ihren Instrumenten dazu, die sich integrieren oder auch solo Musik machen. Ich trinke mehr Rum Punch als ich wollte. Wir kommen erst sehr spät zurück an Bord.

Am 25. Februar gehen wir früh morgens Ankerauf, randale nordic läuft Kurs Süd. Und dann tauchen sie am Horizont auf, die Inseln, von denen ich jahrelang geträumt habe. Wir passieren Canouan, weiter weg sehe ich Mayreau, am Horizont Union Island. Bereits mittags erreichen wir die Salt Whistle Bay und gehen vor dem palmenumsäumten Strand vor Anker. Auch wenn das Wetter heute etwas grau ist, fühlt es sich großartig an. Ich habe das Gefühl, am Ziel meiner Reise zu sein. Ich kann es garnicht fassen, mit meinem kleinen Boot diese Inseln sehen zu dürfen. Und dabei meine Brittifrau, die auch die etwas rauheren Passagen zwischen den Inseln erträgt, damit meine Seglerseele Ruhe findet.

Tagsdrauf lichten wir sehr früh den Anker, die Ankerwinch holt ratternd die 30 Meter Kette an Bord. Britta steht vorn an der Winch, dirigiert mich von dort aus. Ein bisschen links, stopp, ok geht weiter. Ich helfe von hinten mit der Maschine mit, ohne Unterstützung müsste die Winch alleine das Boot gegen den Wind ziehen. Als der Anker an der Wasseroberfläche zu sehen ist, gibt Britta das Signal, dass das Schiff frei ist. Wir sind recht froh aus der Bucht zu manövrieren, die Nacht war sehr unruhig, es stand viel Schwell in der Bay.

Wir umrunden die Insel Mayreau im Norden und nehmen Kurs auf die Tobago Cays, die wir bereits nach einer Stunde unter Maschine erreichen. Der kleine Archipel ist der Inbegriff der Karibik. Durch ein riesiges hufeisenförmiges Riff geschützt liegen eine Handvoll unbewohnter Inseln in dem türkisblauen Wasser. Die Cays sind ein Naturparadies, bei unserem Schlauchbootausflug sehen wir Schildkröten und Rochen, die durch das glasklare Wasser ziehen. Abends gönnen wir uns dann einen gegrillten Lobster. Die einheimischen Fischer bieten ihren Fang an provisorisch aufgestellten Tischen an. „Big Mama“ steht auf dem Tshirt der netten Einheimischen, die die Beilagen zu dem Lobster zubereitet. Salat, gebratene Bananen und Yam Wurzeln, einfach nur köstlich. Wettergeschuldet sind wir die einzigen Gäste an diesem Abend, es nieselt immer wieder. Aber die Fischer tragen uns eine Bank und einen Tisch unter einen Baum, und so wird es ein ganz besonderes Essen.

Mit den Tobago Cays haben wir auch den südlichsten Punkt unserer Reise erreicht. Wir verlassen am nächsten Morgen früh unsere Boje, an der wir über Nacht festgemacht hatten. Beim Auslaufen aus dem Archipel kommt uns ein Kriegsschiff entgegen, begleitet von einem großen schwarzen Schlauchboot in voller Fahrt. Ich weiche respektvoll etwas nach Steuerbord aus, wollen die uns kontrollieren? Beim Näherkommen wundere ich mich dann über die große schwarze Fensterfront an dem Zerstörer, bis ich erkenne, dass es sich um eine Privatyacht handelt. Die „Bold“ ist 85 Meter lang und man kann sie für 875.000 Euro chartern. Die Woche! Aber dafür ist der Helikopter inklusive und immerhin kann man noch 11 Freunde mitnehmen. Solche Megayachten begegnen uns immer wieder in der Karibik. Riesige Segler und Motoryachten, jeweils hunderte von Millionen Euro teuer. Mich persönlich beeindruckt sehr die „Velsheda“, eine fast hundert Jahre alte Rennyacht der „J-Class“. Eine absolute Schönheit, hochglänzend, Teak, Mahagonie. Begleitet wird sie von der „Bystander“, einer 140 Fuß langen Motoryacht, auf der die Mannschaft nachts schläft. Echt eine Parallelwelt.

Von den Tobago Cays steuern wir wieder nordwärts. Nordwärts in den kleinen Antillen bedeutet immer gegen den Nord-Ost-Passat zu segeln. Gerade zwischen den Inseln pfeift es meist recht ordentlich und es baut sich eine ziemliche Welle auf. Aber unsere kleine Dreadnought kämpft sich auch hier durch. Für uns aber sind diese Passagen sehr anstrengend, das stundenlange Gegenangebolze zermürbt. Ich hatte mir tatsächlich Segeln in der Karibik chilliger vorgestellt. Aber es sind auf der anderen Seite auch wunderbare Momente, wenn das Schiff durch das tiefblaue Wasser pflügt und die Inseln in Luv vorbeiziehen.

Am Nachmittag erreichen wir wieder Bequia. Wir mögen diese Insel sehr. Ähnlich wie Martinique ist Bequia ein bunter Schmelztiegel von Religionen und Rassen.

Von den ca. 5000 Einwohnern sind auch ein erheblicher Teil Weiße. Alle Schichten leben hier in beeindruckend friedlicher Koexistenz ohne stark ausgeprägte hierarchische Strukturen. Und das prägt das Miteinander im Alltag. Die Menschen sind freundlich, hilfsbereit und entspannt. Wir verbringen nochmal zwei Tage auf der Insel, gehen in den Restaurants an der Waterfront essen, machen Erledigungen und klarieren am Ende bei Immigrations aus und erhalten unsere Ausreisepapiere.

Am 1. März gehen wir bereits morgens um 4 ankerauf und verlassen im Dunkeln unseren Ankerplatz. Mit Hilfe unserer ultrastarken Taschenlampe tasten wir uns aus der Admirality Bay und segeln nordwärts. Wir wollen den günstigen Ostwind nutzen und möglichst weit Richtung Martinique kommen. Als wir die Südspitze von St. Vincent erreichen, wird die See ruhiger und der Wind lässt nach. Wir passieren unter Maschine Wallilabou, wo große Teile von „Fluch der Karibik“ gedreht wurden. Von den Filmkulissen ist aber nicht mehr viel erhalten.

Zur Mittagszeit nehmen wir die Passage zwischen St. Vincent und St. Lucia in Angriff. Wind, Wellen und Strömung nehmen stark zu und so bergen wir das Großsegel und überbrücken die gut 20 Seemeilen des St. Vincent Channel unter Fock und mit Motorunterstützung.

Bereits von weiten sind die beiden Pitons im Süden von St. Lucia zu erkennen, den beiden ca. 800 Meter hohen spitzen Bergen im Süden der Insel, die auch das Wahrzeichen des Eilands sind. Die Insel ist wunderschön. Hohe, bewaldete Berge, Strände mit Palmen, hübsche Ortschaften an den Berghängen. Am Nachmittag laufen wir kurz in die Marigot Bay ein. Sicher einer der schönsten Ankerplätze der Karibik. Ein 1 Kilometer langer schluchtartiger Einschnitt ins Land, links und rechts bewaldete Hänge mit Villen, auf der Hälfte eine Sandbank mit 2 Dutzend Palmen. Ein karibischer Traum. Wir wollen hier aber nicht ankern, da wir in St. Lucia, einem eigenständigen Staat, nicht einklarieren wollen. Das Prozedere ist sehr umständlich, neben diversen Onlineformularen muss man bei der Einreise auch einen aktuellen PCR Test haben. So verlassen wir die Bucht wieder und motoren die letzten 10 Seemeilen in die Rodney Bay im Norden von St. Lucia. Wir ankern hier über Nacht ohne das Boot zu verlassen. Die Bucht ist sehr weitläufig, und so laufen wir auch nicht Gefahr kontrolliert zu werden.

 

Am nächten Morgen segeln wir zu unserem Liegeplatz in Le Marin. Das Wetter ist gnädig mit uns. Strahlendblauer Himmel und Ostwind mit Stärke 4. Doch noch perfektes Karibiksegeln. Randale nordic pflügt unter Vollzeug mit schäumender Bugwelle durch den St. Lucia Channel, bereits Mittags passieren wir die Rede von St. Anne, bergen die Segel und laufen in die Bucht von Marin ein. Es fühlt sich an wie ein nach Hause kommen. Wir erreichen unseren schönen Liegeplatz am Rand der Marina mit dem Blick auf die Mangroven, räumen das Schiff etwas auf und gönnen uns ein alkoholfreies Anlegebier. Der Ausflug in die Grenadinen war nur anderthalb Wochen lang, hat aber bei mir tiefe Eindrücke hinterlassen. Danke, dass ich diese Reise machen darf.

15. Mai 2016 - Auf dem Bolzplatz
Um 9 Uhr morgens fahre ich das letzte mal für die nächsten Jahre das Fahrwasser aus Heiligenhafen hinaus. Als ich über die Schulter zurück schaue, muss ich kurz schlucken. Auch wenn am Heck von randale nordic Greifswald steht, mein Heimathafen wird für immer Heiligenhafen sein. Der Ort, an dem mir Seebeine wuchsen.
An der Ansteuerung drehen wir das Schiff in den Wind und Karl-Heinz setzt das einmal gereffte  Großsegel. Als wir abfallen und die Fock ausrollen klettert die Logge auf 8 Knoten. Der Windmesser errechnet 18 Knoten Wind. Klasse. Bis wir auf den Amwindkurs eindrehen. Im Fehmarnsund steht eine fiese Welle und das Gebolze beginnt. Wir beginnen Richtung Laboe zu kreuzen, gute 30 Seemeilen direkter Weg. Aber bei der Welle erreichen wir nur Wendewinkel über 50 Grad und die Strecke zieht sich. Als wir das Ende der Hohwachter Bucht erreicht haben nehmen wir die Segel weg und bolzen mit der Maschine gegenan. AK voraus, Herr Kaleun.
Eine Regenbö mit über 30 Knoten zieht über uns hinweg. Am Gestänge des Bimini rutscht ein Beschlag, der nicht richtig festgedreht ist und das Sonnendach wölbt sich wie ein Gleitschirm. Der Inbus hat ein englisches  Maß, habe ich natürlich nicht an Bord. Aber mit einem Bändsel lässt sich der Paraglider am Heck bändigen.
Gegen 15 Uhr erreichen wir Laboe, etwas durchgefroren und angefeuchtet. Britti ist froh, wieder fest am Steg zu liegen. Besonders ihr Magen ist sehr dankbar.
Abends brutzeln wir Rouladen im neu angeschafften Schnellkochtopf. Miri und David kommen an Bord, sie haben vor ihrer Heimfahrt nach Kassel noch in einem schicken Strandhotel mit Blick auf die Förde übernachtet. Karl-Heinz und ich machen noch einen Spaziergang und schauen uns das Zimmer an. Unsere 10000 Schritte erreichen wir heute nicht, aber das IPhone bescheinigt immerhin 6000. Wir sind uns einig, dass wir in  Verbindung mit unserem Segeltag genug Bewegung hatten und genießen mit gutem Gewissen unsere abendliche Trilogie aus Obstler, Espresso und Zartbitterschokolade.

16. Mai 2016 - Den Kanal voll
Haben wir gegen 17.00 Uhr als wir Brunsbüttel erreichen. Nach 9 Stunden Fahrt durch den Nord-Ostsee-Kanal.
Der Tag beginnt früh, schon um 6 Uhr ist Leben auf dem Boot. Karl-Heinz springt noch schnell unter die Dusche während ich das Boot klar zum Auslaufen mache, den Landstrom einhole und mir die Unterlagen vom Kanal anschaue.
Britti will eigentlich liegen bleiben, wir legen auch ohne sie ab, ab das sonnige Wetter lockt sie doch an Deck. In der magischen Atmosphäre der fast windstillen Kieler Förde genießen wir den ersten Kaffee, passieren Friedrichsort und erreichen die Schleusenanlage in Kiel Holtenau. Kiel Kanal , Kiel Kanal für randale nordic. Karl-Heinz ruft die Schleuse über UKW-Kanal 12 und fragt, wie wir uns verhalten sollen. Aha, zwischen den Anlagen auf Standby gehen und warten. 15 Minuten später laufen wir in die Nordkammer ein und machen an den glitschigen Anlegern fest. Die Schleusung dauert nur wenige Minuten und wir werden wieder ausgespuckt. 98 Kilometer Kanalfahrt liegen vor uns. Es weht uns ein kalter Westwind entgegen, und so wechseln wir drei uns im Stundentakt am Ruder ab. Viel zu tuen gibt es nicht an Bord. Der Yanmar schnurrt mit 2500 U/min und wir verbringen den Tag mit essen, rudergehen und schlafen. Morgens ein Müsli, am späten Vormittag die Reste vom Vortag und später Pfannkuchen mit Camenbert.
Zwischendurch kommen uns immer wieder große Frachter entgegen, der Kanal ist die am meisten befahrene künstliche Wasserstraße der Welt. Links und rechts ist viel Grün, kleine Ortschaften, Angler. Die letzten Kilometer ziehen sich, die Kälte sitzt uns in den Knochen.
Das Anlegebier trinken wir in einer kleinen Kneipe mit Kanalblick, gut geheizt. Von unserem kleinen Stadtbummel bringen wir uns einen Döner mit, den wir an Bord vertilgen. Danach machen wir noch kleinere Reparaturen auf dem Boot, Karl-Heinz ziegt die Schrauben eines Handlaufs nach und klebt die Befestigung der Jalousien neu ein während ich den Tidenkalender studiere. Ab morgen diktieren die Gezeiten unseren Tagesrhythmus.

Auf dem AIS (Automatic Identification System)

Und life

17. Mai 2016 - Im Gezeitenstrom mit Jan Cux
11.01 Uhr ist Hochwasser in Brunsbüttel. Vor- und nachher steht das Wasser ca. eine halbe Stunde. Wir können also ab 10.30 Uhr ausschleusen um mit dem ablaufenden Wasser nach Cuxhaven zu fahren. So die Theorie.
Praktisch stehen wir um 8 Uhr morgens auf. Ein Müsli-Frühstück und  tolle Duschen bringen uns in den Tag. Danach laufen wir in den ortsansässigen Edeka und füllen unseren Kühlschrank, Fisch-Schmidt versorgt uns mit Kabeljau-Filet. Gegen 11.30 Uhr schleusen wir endlich aus dem Kanal aus und randale nordic schwimmt in der Elbe. Wir laufen unter Maschine Richtung Cuxhaven. Speed over ground 4 Knoten, Fahrt durchs Wasser 5 Knoten. Ich zweifel erstmal an meinen Rechenkünsten, der Ehrenpreis in Tidennavigation geht heute wohl nicht an mich. Etwas später können wir die Fock setzen und laufen die Elbe weiter herab. Eine Stunde vor Cuxhaven segeln wir mir 9 Knoten Speed, der Ebbstrom läuft jetzt doch mit 3 Knoten mit uns.
In Cuxhaven tanken wir Diesel und füllen den Wassertank. Auch in dem war Ebbe. Karl-Heinz ist der beste Performance-Abspüler zwischen hier und Oklahoma, aber der Wasserverbrauch dabei gleicht dem eines mittelgroßen Chemiewerkes.
Spargel mit Dorsch, vorweg einen Gin-Tonic und zum Nachtisch frische Erdbeeren. Um das wieder weg zu bekommen, versuchen Karl-Heinz und ich unsere 10000 Schritte zu erreichen und schauen uns die "Alte Liebe", den Hamburger Leuchtturm und das Feuerschiff Elbe 1 an. Schritttechnisch erreichen wir unser Tagesziel nicht ganz, aber wir sind sehr zufrieden mit dem Tag und dem Abend.

18. Mai 2016 - Trottellummen, Knieper und die lange Anna
Um kurz vor 6 klappe ich meine Augen auf. Der eigentliche Plan war, nach 10 zu starten um möglichst nahe an das ablaufende Hochwasser zu kommen. Aber das kommt erst kurz vor zwölf, und gestern habe ich gelernt, dass das Wasser noch anderthalb Stunden nachläuft. Also doch jetzt starten. 10 Minuten später laufen wir tatsächlich aus, die Elbe schiebt uns mit 9 Knoten in die Nordsee. Anfangs sehr schwachwindig, können wir später den Code  Zero und das Groß setzen und Kurs auf Helgoland nehmen. Ein herrlicher Segeltag erwartet uns, viel Sonne und Wind aus südlichen Richtungen.
Bereits gegen 13 Uhr erreichen wir den roten Felsen im Meer und finden einen  Liegeplatz im Südhafen. Wir bezahlen unseren Liegeplatz beim drögen Hafenmeister, der mühselig unsere Daten in den Computer tippt. Mit den Duschen hat er nichts zu tuen, die werden privat betrieben. Na dann, vielen Dank für den freundlichen Empfang.
Wir fahren mit einer kleinen Fähre hinüber zur Düne, einer kleinen Sandinsel, die Helgoland vorgelagert ist. Die Insel steht unter Naturschutz. Bei unserem Strandspaziergang sehen wir mehrere Seehundkolonien, die im Sand in der Sonne dösen. Man kann sich den Tieren sehr leicht nähern, sie zeigen keine Scheu gegenüber Menschen. Wir legen uns ca. 25 Meter entfernt ebenfalls in den Sand und beobachten das Treiben der Herde. Im Wasser rangeln sich zwei Jungbullen, aber der Rest liegt unbeeindruckt am Strand und relaxt. Sehr inspirierend, einige Minuten später liegen auch wir und Karl-Heinz schnarcht mit den Robbies um die Wette.
Als wir zurück auf Helgoland sind, besichtigen wir das Unterland, das etwas den Charme der späten Siebziger versprüht. Mit einem Aufzug gelangt man ins Oberland, wir laufen am Klippenrand um die gerade mal einen Quadratkilometer große Insel. Die Brutkolonien sind sehr beeindruckend, man kommt den Trottellummen, Basstölpeln und Möwen sehr nahe. Wieder ein tolles Naturerlebnis. Wir fotografieren die lange Anna, den riesigen allein stehenden Felsen,  aus mehreren Perspektiven und beobachten die Alexander von Humboldt zwo beim Einlaufen. Als wir wieder am Schiff sind, zeigt der Schrittmesser von Karl-Heinz mehr als 16000 Schritte. Wir haben uns ein lecker Abendbrot verdient!
In einem kleinen Restaurant in der Nähe der Promenade essen wir Knieper, die helgoländer Variante von Hummern. Das Gerät zum Zerlegen und Pulen könnte auch ein Zahn- oder Fauenarzt gut verwenden, aber man bekommt damit auch prima das Fleisch aus den Zangen. Zufrieden mit diesem fantastischen Tag beenden wir den Tag wie immer, ein Espresso, ein.....

19. Mai 2016 - Earlybirds
Wir liegen in Helgoland im Päckchen, das heißt wir liegen an der Pier und neben uns 2 Yachten Bordwand an Bordwand. Wann wir morgen loswollen fragen unsere Nachbarn. Naja, wir wollen nach Borkum und haben so 70 Seemeilen vor uns. Ist so zwischen 5 und 6 ok?
Morgens um 5 klopft es tatsächlich auf unser Deck, beide Mannschaften in Manöverbereitschaft. Wir sind noch nicht ganz so weit, schnell in die Bordhose, Schuhe an und an Deck. Moin Nachbarn, danke, dass das klappt. Ich starte den Diesel, Karl-Heinz hat schon den Landstrom gezogen und Britti sortiert Leinen und Fender. 10 Minuten später dampfen wir durch die Molenköpfe und gehen Kurs West-Süd-West. Nach diesem Kaltstart kochen wir erstmal einen Kaffee, die See ist spiegelglatt.  Wir dösen durch den Tag,  kochen,  reparieren und lesen. Wir kreuzen zweimal Schifffahrtwege, den Terschelling - German Bight und den Western Approach, Autobahnen für Tanker und Containerriesen. Durch unser neu installiertes AIS (Automatic Identification System) kein Problem, wir sehen die bis zu 25 Knoten schnellen Schiffe auf unserem Plotter und können unseren Kurs anpassen.
Gegen 16 Uhr erreichen wir Borkumriff und laufen in das Ems-Delta ein, fahren an Borkum vorbei und drehen an der Fischerbalje in die Zufahrt zum Hafen. 18 Uhr, Schiff fest.
Der Hafen ist grauselig, ein alter Militärhafen. Aber wir werden sehr nett von der Hafenmeisterin empfangen die uns auch den Toilettenschlüssel übergibt. Wir bummeln durch den Hafen und trinken unser Anlegebier im Restaurant Yachthafen. Naja, genauer eine Sprite, ein Kaffee und ein Nullzweier Bierchen. Für morgen planen wir einen  Hafentag.
Ich bin sehr froh, dass wir so zügig bis hier gekommen sind. Ab hier sind wir weitgehend wetterunabhängig. Starker Westwind hätte die Passage durch die Nordsee unmöglich gemacht, aber durch die langen Etappen haben wir die Wetterfenster nutzen können. Und wie immer dabei: Meine Brittifrau. Wie heißt es bei den Sportfreunden Stiller? Will ich mal wieder mit dem Kopf durch die Wand, legst du mir Helm und Hammer hin. Das macht Britti auch, sie unterstützt in jeder Situation, bleibt ruhig. Meine Navigatorin!

Wissen nicht immer, wo es lang geht

Weiß immer, wo es lang geht

20. Mai 2016 - Lazy day
Wir werden aus Gewohnheit alle um 6 Uhr rum wach, obwohl wir einen Hafentag machen. Senile Bettflucht. Bleiben aber liegen und dämmern wieder ein. So richtig leben kommt erst gegen 10 Uhr ins Schiff, wir kochen uns Kaffee und ein Eichen. Gegen Mittag laufen wir in den Hauptort von Borkum, 7 Kilometer von unsrem Liegeplatz entfernt. Ca. 16000 Schritte, sagt Karl-Heinz Schrittzähler. Die letzten Meter beginnt es zu regnen, wir flüchten in ein Kaffee. Den Ort schauen wir uns im Laufschritt an, es hat sich eingeregnet. In einem Edeka machen wir Einkäufe. Zurück gönnen wir uns ein Taxi und Britti verstaut unsere Beute in den Schapps.
Borkum ist eine schöne Insel, viel Natur, endlose Strände. An der Hauptpromenade kann man alte Seebäderarchitektur bewundern. Direkt von der Promenade aus kann man Sandbänke mit Seehunden beobachten.
Diese Zeilen schreibe ich, während wir im Restaurant "Zum Yachthafen" sitzen und ich auf meinen Kabeljau nach Art des Hauses warte. Mal schauen, wie das Essen schmeckt, für den Laden spricht auf jeden Fall das tadellose Wlan.

Frühstücksbrettchen von Karl-Heinz getischlert ;-)

Feuerschiff Borkumriff - außer Dienst, wie alle deutschen Feuerschiffe

21. Mai 2016 - I understood
Langsam bekomme ich eine Ahnung, was segeln in Tidengewässern bedeutet. Das Wasser fließt in der Nordsee immer langsamer, und somit länger, rein als raus. Wir starten heute erst zweieinhalb Stunden nach Niedrigwasser und die Tide spült uns planmäßig in die Ems Richtung Delfzjil. Ich verleihe mir innerlich den Ehrenpreis für hervorragende Kenntnisse im Wattenmeer, übersehe aber dabei fast eine Fahrwassertonne, auf die uns der Tidenstrom quer zuschiebt. Unser Yanmar heilt das Manöver und wir haben drei herrlich Segelstunden. Obwohl wir streckenweise aufkreuzen, erreichen wir am Wind 9 Knoten über Grund.
In Delfzjil erwartet uns unsere erste Schleuse, wir verlassen die Nordsee und die Seeschleuse senkt uns ins Binnenland. Wir tuckern den Emskanal durch Friesland. Links und recht von uns weite Felder, Weiden, Kühe. Vereinzelt stehen Gehöfte und Baumgruppen in der Landschaft.
Die erste Brücke liegt vor uns. Und nun? Aha, die haben uns schon gesehen, die Brücken sind kameraüberwacht. Das Signal springt von rot auf rotgrün, Standby. Wenn die Ampel grün zeigt: Nix wie durch. Yachten begegnen uns nur sehr wenige, aber einige Binnenfrachter kommen uns entgegen.
Um 15 Uhr erreichen wir Groningen und finden einen Liegeplatz mitten in der Stadt. Wir liegen in einer Gracht und genießen das Treiben um uns herum. Die Studentenstadt ist auf den Beinen, irgendwas wird gefeiert. Auf dem Wasser sind viele Gruppen mit Sloepen (Schaluppen) unterwegs, laute Musik, Gelächter. Die Stadt ist eine lebendige Mischung aus traditioneller Architektur und internationaler Moderne. Der Hammer, ob man sich in meinem Alter noch an der Hanze-Uni einschreiben kann?
Wir beenden den Abend im Cockpit, überbackene Auberginen, Nudeln mit Lachs-Sahne-Sauce und roter Grütze mit Vanille-Sauce.

22. Mai 2016 - Friesland
Um 9 Uhr morgens starten wir, vorher sind die Schleusen und Brücken nicht in Betrieb. Wir werden in einer 3er-Gruppe durch Groningen gelotst. Eine Moody 54, ein riesiges Motorboot und wir. Der Schleusenwärter radelt neben uns her, von Brücke zu Brücke, sperrt den Straßenverkehr und öffnet die Brücken. Unfassbar, gestern haben wir sogar eine Autobahn gekreuzt, die für uns als einziges Boot gesperrt wurde, um uns als einziges Boot  durchzulassen.
Die "Staande Mastroute" (Stehende Mast Route - man kann mit stehendem Mast durch ganz Holland fahren) hat uns mitten durch das großartige Groningen geführt. Es gibt viel zu sehen, tolle Wohnschiffe und Hausboote, Häuser, Leben in der Stadt.
Nach zweieinhalb Stunden haben wir den Brücken-Marathon hinter uns fahren durch das ländliche Friesland. Das bunte städtische Treiben wechselt in weite Landschaften. Das Wetter ist so lala, es regnet nicht viel, aber der graue Himmel hängt über den grünen Feldern. Wir durchqueren nicht viel Orte, Abwechslung bringen nur die wenigen Schleusen und Brücken.

Als wir einen Tankstopp einlegen, entdecken wir ein Schild: Mastenbauer. Karl-Heinz ist sofort Feuer und Flamme, er braucht einen neuen Holzmast für seine Argo, die alte Holzplanke. Da haben sich zwei Holzwürmer gefunden, sofort wird über Lackierungen und Holzsorten gefachsimpelt, Email-Adressen ausgetauscht und erste Verabredungen getroffen. Während dessen bespricht Britti auf englisch mit einer italienischen Yacht, wann wir den Liegeplatz an der Tankstelle räumen und wo überhaupt der Hafenmeister zu finden ist. Als Karl-Heinz und ich vom Mastenbauer zurück kommen, räumen wir den Liegeplatz und fahren weiter.

An einer flachen Stelle laufen wir auf. randale nordic hat einen recht tiefen Kiel, mit 1,90 Meter sind wir an der Obergrenze, die Route überhaupt fahren zu können. Wir kommen aber leicht wieder frei und können die Fahrt fortsetzen, bis wir um 18.30 Uhr Dokkum erreichen.
Wir machen direkt in der Stadt fest, es regnet. Wir stellen unseren Cobb-Grill unter die Sprayhood und kurz danach gibt es Salat, Rind, Huhn und Schweinefleisch. Internet ist hier kostenlos und sauschnell, endlich kann ich auch die Galeriefunktion von Jimdo nutzen.

23. Mai 2016 - Fifty shades of grey
Oh mein Gott, wie kann es nur soviel regnen. Wir verlassen morgens um 9 Uhr Dokkum mit der ersten Brückenöffnung. Der Himmel hängt tief, es regnet, und das wird es bis zu unserer Ankunft tuen. Dazu pfeift ein Wind aus Nord. So tuckern wir südwärts. Karl-Heinz und ich wechseln uns am Ruder ab. Wir durchfahren wunderschöne Orte, aber selbst zum Fotografieren ist es zu nass. Uns beeindrucken immer wieder die tollen Häuschen, die direkt am Wasser liegen, traumhaft schön. Viele mit einem eigenen Bootsanlieger, das wärs! Das eigene Schiff direkt am Grundstück fest getüddelt. Um die Mittagszeit passieren wir Leuwarden. Seit morgens bereits haben wir einen Motorsegler hinter uns, der vor den Brücken, vor denen wir warten müssen, viel zu nahe auffährt. Den Höhepunkt erreicht das in Leuwarden, wo er vor einer Brücke auf Warteposition bis auf wenigen Zentimeter auf uns drauftreibt und uns mit seiner Schiffshupe anbölkt. Obwohl ich innerlich koche bleibe ich cool und manövriere randale nordic rückwärts um ihn herum, um ihn nicht mehr hinter mir zu haben.
Nach Leuwarden erwartet uns wieder weites Land, Friesland. Unglaublich grün, riesige Schaf- und Rinderherden, aber heute alles bedeckt vom Grau des Himmels.
Unser Tagesziel für heute heißt dann auch Grouw. Obwohl mitten im Binnenland gelegen, ist es eines der Wassersportzentren der Region. Ein malerischer Ort, umgeben vom Wasser, Yachthäfen und Schiffsservice wohin man schaut.
Beim Einfahren in den Ort laufen wir das zweite mal auf dieser Reise auf. Obwohl uns der Nordwind auf die flache Stelle drückt, zieht uns der Schiffsdiesel schnell wieder in tiefes Wasser. Wir finden eine tolle Anlegestelle vor einem Hotel. Britti geht direkt nach dem Anlegemanöver in das Hotel und handelt einen Deal aus: Wir dürfen die Nacht umsonst dort liegen, wenn wir abends dort essen gehen.
Es erwartet uns ein grandioses 4-Gänge-Menü, Karl-Heinz lädt ein. Gebeizter Lachs, Kabeljau mit Spargel, Lamm und Vanilleeis mit Erdbeeren. Und das Beste: Ich kann vom Essenstisch auf mein Boot schauen! Mehr geht nicht. Obwohl es den ganzen Tag geregnet hat, bin ich sehr glücklich. Wir sind nur noch eine Tagesreise von Lelystad, unserem Heimathafen für diese Saison, entfernt. Das tolle Essen, dieser besondere Liegeplatz, der Rückblick auf den gelungen Überführungstörn lassen mich sehr zufrieden sein. Und meine Frau, die am Abendbrottisch neben mir sitzt, und sich für mich mit freut.
Ich sitze gerade noch im Salon von randale nordic, während ich diese Zeilen schreibe. Britti ist schon in ihre Koje gekrochen, hat sich eingemummelt. Schlaf gut, meine Brittifrau, ich passe auf dich auf.

Unser Liegeplatz

4-Gänge-Menü mit Blick aufs Schiff

24.5.2016 - Fast im Ijsselmeer
Unser Liegeplatz direkt vor dem Restaurant Ostergoo gefällt uns so gut, dass wir morgens dort frühstücken gehen. Koffee, leckere Zimtteilchen, Eier und Yoghurt, wir sitzen lange, bis wir uns endlich aufraffen. Vor dem Ablegen wollen wir noch den neuen Kartenchip in den Plotter schieben, aber der alte will nicht aus seinem Slot. Schließlich gelingt es Britta doch, den Chip mit einem Messer aus dem Schacht zu fummeln, dabei fliegt er in hohem Bogen nach hinten und bleibt wenige Zentimeter vor der Deckskante liegen. Uff, fast 350 Euro versenkt. Zu allem Überfluss funktioniert der neue nicht, er soll alle Karten von Holland bis zu den Kanaren enthalten, aber der Simrad-Plotter liest ihn nicht ein. Also die alte Karte wieder rein, die allerdings keine Details vom Fahrgebiet zeigt.
So kommen wir nach dem Ablegen auch gleich an der ersten Kreuzung von Fahrwassern ins Trudeln. Die roten Tonnen links oder rechts? Um die kleine Insel noch herum oder nicht? Während wir noch diskutieren, schiebt sich der Kiel von randale nordic schon in den Modder. Aha, Britti hatte Recht, die roten bleiben backbord.
Wenig später biegen wir in den Prinses Margriet Kanal ein, einen der Hauptkanäle durch Friesland. Wir motoren südwärts. Später können wir sogar segeln, der Code Zero zieht uns voran. In Böen erreicht der Wind über 20 Knoten und wir rauschen streckenweise mit über 8 Knoten dahin, überholen sogar kleine Frachter. Auf einem Vormwindstück passiert es dann, das Schiff schaukelt sich auf, luvt stark an und schießt fast in die Sonne. Doch wir reagieren richtig, während Britta den Zero ausrauschen lässt, hechte ich zum Motor, starte ihn und lege den Hebel auf Vollgas während Karl-Heinz das Schiff in den Wind dreht. Wir schaffen es, das knatternde Segel einzurollen und gehen wieder auf Kurs. Schwein gehabt, so weit war es nicht mehr bis zum Ufer.
Am späten Mittag laufen wir in Lemmer ein, das Segelzentrum Frieslands. Wir kommen an einem halben Dutzend Yachthäfen und Marinas vorbei, aber wir laufen bis direkt in die Innenstadt. An der ersten Brücke in die Stadt bezahlen wir unser Klompgeld, die Gebühr für die Passage. Von der Brücke wird ein Holzschuh an einer Angel herabgelassen, worein man sein Geld steckt.
Wir liegen direkt an der Partymeile der Stadt, links und rechts des Kanals sind Restaurants, Kneipen, Geschäfte. Viel los ist allerdings Ende Mai und so mitten in der Woche nicht, trotzdem ergattern wir den letzten Liegeplatz. Wir bummeln durch die Stadt und kaufen ei, später gibt es Fischsuppe und Spargel mit Schweinesteaks. Zum Nachtisch frische Erdbeeren mit Vla, dem köstlichen holländischen Pudding.

25. Mai 2016 - Sie haben ihr Ziel erreicht
Ich werde eine halbe Stunde vor Lelystadt wach, beende mein Mittagsschläfchen im Salon. Bei der Fahrt von Lemmer nach Lelystadt ist mal wieder kein Wind, wir laufen wieder unter Maschine. Um 11 Uhr ist uns nach einem zweiten Frühstück und wir durchforsten das Schiff nach Reste von Essbarem. Eine halbe "Ahle Worscht", Schinken, Käse. Und dann sind da noch ein paar Flaschen Bier. So nimmt das Verhängnis seinen Lauf, bereits eine Stunde vor Mittag trinken wir das erste Bierchen. Und dann noch eins. Um ein Uhr ereilt mich dann bleiernde Müdigkeit und ich verschwinde mit einem verständnissuchenden Blick unter Deck zu meinem Schläfchen. Mannomann, sollte nicht zur Gewohnheit werden.
Als wir in die Flevomarina einlaufen bin ich wieder halbwegs fit, wir finden schnell unseren Liegeplatz an Steg 7. Unser Heimathafen für den Rest der Saison. Ich hatte den Platz bereits von zuhause aus gebucht. Der Hafenmeister empfängt uns freundlich, erklärt uns alles und gibt uns unsere Hafenkarte. Die Marina ist wirklich klasse, bietet allen Komfort und auch technische Möglichkeiten. Alle Servicebetriebe sind vor Ort, vom Segelmacher bis zum Motoren-Service. Und auch die Atmosphäre ist toll, etwas außerhalb gelegen, mitten im Grünen mit einem tollen Strand direkt angrenzend.
Gegen 19 Uhr kommt Andrea an, um Britta und Karl-Heinz abzuholen. Im Gepäck eine Riesenüberraschung: Eine Eiswürfelmaschine. Ich flitze schnell ins Restaurant um eine Flasche Tonic zu kaufen. Bereits 10 Minuten später klötern die ersten Eiswürfel ins Glas. Gin Tonic, gekühlt.
Abends gehen wir in das Restaurant direkt am Yachthafen. Auch davon sind wir begeistert. Tolles Essen mit Blick auf den Yachthafen. Als die Sonne rot im Ijsselmeer versinkt finde ich es fast zu perfekt.
Morgen werden Britta und Karl-Heinz von Bord gehen, ich bleibe noch bis Sonntag und werde mit Merle und Ingmar nach Hause fahren, die Freitag für 2 Tage in die "Prinz-William-Suite" (wie wir die Achterkajüte nennen) einziehen. Ich blicke zufrieden auf den ersten Teilabschnitt meiner Reise zurück. Alles hat geklappt, aber doch wieder anders als geplant. randale nordic hat sich wieder als tolles Fahrtenschiff bewiesen, sowohl beim harten Aufkreuzen als auch bei stundenlanger Motorenfahrt ist das Schiff eine zuverlässige Partnerin und auch unser Stück Heimat, das mit uns reist. Es bleiben tolle Eindrücke von den Landschaften, den Erlebnissen und vor allem von uns, Karl-Heinz, unserem Performance-Abspüler und Bordingenieur und meiner geliebten Britti woman.

Sollst du denn immer so viel Wasser verbrauchen beim Abwaschen?

Mein Greifswalder Mädchen an ihrem neuen Liegeplatz