2017 - London calling

10. Juni 2017 - Kortgene Harwich - Tomorrow, Old England she sails...
Wir liegen in der Schleuse die uns aus dem Veerse Meer bringt. Wir segeln tatsächlich Richtung London!
Bereits vor 2 Wochen haben wir das Schiff in die Oosterschelde überführt, um leichter den Sprung über die Nordsee machen zu können. Wir, das sind mein alter Buddie Karl-Heinz, Valentin und ich. Der Törn führte uns die Tage nach Himmelfahrt aus dem IJsselmeer bis nach Kortgene. Schöne Tagesetappen: Lelystad - Amsterdam, über IJmuiden raus in die Nordsee, den Bug nach Süden gerichtet. Der Ebbstrom schob uns Richtung Ärmelkanal, herrlicher Segelwind, 9 Knoten Fahrt durchs Wasser. Als wir die Höhe Rotterdam erreichten, kenterte die Tide und die letzten Meilen nach Hellevoitsluis hatten wir sie gegenan. Wir grillten den Abend spät und versuchten vergeblich den Hafenmeister zu finden. Wieder keine Dusche: So what. Die letzte Etappe führte uns die Staande-Maast-Route weiter durch die Oosterschelde bis Kortgene. Dort, in der Deltamarina hat das Schiff 2 Wochen auf uns gewartet.
In der Schleuse spricht uns die Nachbaryacht an, woher, wohin? Ahh, nach London. Da fahrt ihr doch ganz falsch, ihr solltet nicht über Roompotsluis in die Nordsee sondern über Vlissingen. Mit einem Auge schiele ich auf die Karte. Hmm, obenrum sieht für mich immer noch kürzer aus, aber ich komme ins Grübeln. Das Selbswertgefühl von Jani Supersegler ist eh gerade angekratzt. Ich habe letztes Wochenende vergessen meinen Code Zero zu sichern. Ich finde ihn gestern in Fetzen am Vorstag baumelnd, der Sturm in der Woche hat ihn sehr gebeutelt. Wir nehmen die Reste vom Mast und geben ihn Andrea mit, die uns zum Schiff gebracht hat. Es ist mir eine Lehre, doch immer wieder alles zu kontrollieren. Dusseljan.
Um 15.30 Uhr liegen wir endlich vor der Seeschleuse Roompot um in die Nordsee zu kommen. Die letzten Meilen liefen schleppend, weil wir Strom gegenan hatten. Aber irgendwas ist hier komisch, direkt vor dem Schleusentor liegt ein riesiger Schwimmbagger. Karl-Heinz ruft die Schleuse über Kanal 68. Sie wir renoviert und ist bis zum 15.6. geschlossen. Na toll. Wir drehen das Schiff und laufen wieder Richtung Kortgene. Die Stimmung ist trotzdem gut, weil wir einen perfekten Segeltag haben. Gegen 19 Uhr passieren wir wieder unseren alten Liegeplatz, den wir vor 8 Stunden verlassen haben.
Der Weg führt uns weiter durch das friedliche Veerse Meer, bei Veere schleusen wir in den Walcheren Kanal ein. Wir haben einige Brücken in Middelburg und Vlissingen vor uns. Ich bin gespannt, ob sie überhaupt noch für uns öffnen, es ist inzwischen 20 Uhr durch. Aber  Karl-Heinz spricht auf Kanal 68 mit der Fachkraft für Brückenöffnung und so öffnet sich  queitschend auch die alte Drehbrücke in Middelburg.
Gegen 23 Uhr schleusen wir in die Westerschelde ein.

11. Juni 2017 - Kortgene Harwich - Ist die Nordsee eine Mordsee?
Die Schleuse senkt uns um 4 Meter ab, in Vlissingen ist Niedrigwasser. Als sich um 23 Uhr rumpelnd das riesige Schleusentor öffnet und wir in die Westerschelde motoren ändert sich die Atmosphäre schlagartig. Nach den lieblichen Gewässern der Osterschelde und des Veerse Meer liegt nun die echte See vor uns. Kaum haben wir den Schleusenbereich verlassen zieht schon der erste Containerriese an uns vorbei. Lotsen, Schlepper und andere Berufsschifffahrt überall. Ein riesiges Lichtermeer. Wir dampfen unter Maschine die Küste entlang Richtung offene See. Die Tide läuft uns mit bis zu 2 Knoten entgegen, sehr mühselig. Gegen 1.30 Uhr lösen wir uns langsam vom Land, Müdigkeit macht sich breit. Wir legen uns nacheinander ein Stündchen aufs Ohr und versuchen uns mit heißem Tee wach zuhalten. Es wird kalt, lange Unterhosen und Handschuhe werden aus den Schaps gekramt. Gegen 4 beginnt die blaue Stunde, am Horizont beginnt die Dämmerung. Ich lege mich gegen 5 nochmal hin und werde 3 Stunden später durch Geklapper in der Pantry wach. Im Cockpit scheint die Sonne bereits warm und Valentin zaubert ein britisches Frühstück: Eier, Speck und Tomaten. Saulecker! Die nächsten Stunden erwartet uns traumhaftes Segeln. Sonne, halber Wind mit 3-4 Beaufort und eine mitlaufende Tide. Bei bis zu 8 Knoten segeln wir Richtung Britanien, setzen den Union Jack unter der Steuerbordsaling und umsegeln die Windparks und Flachs.
Kurz vor Harwich beginnt es zu kacheln. Der Wind steht gegen die ablaufende Tide und erzeugt eine unangenehme Welle. Doch meine Dreadnought meistert wie immer die Situation und gegen 18 Uhr laufen wir in die Minischleuse der Shotney Marina in Harwich ein. Gerade 4 Boote passen hinein, aber trotz heftigen Böen platzieren wir Nordi sicher. Der Hafenmeister knurrt uns an, warum wir nicht reserviert hätten. Aber Karl-Heinz klärt das später mit seinem Charme, den er auch auf Englisch anwenden kann. Während Karl-Heinz und ich uns über Hafengebühren, Schleusenzeiten und Wifi-Passwörter aufschlauen lassen zaubert Valentin ein Super Abendbrot. Schweizer Röstis mit Bratwurst, trotz fehlender Zutaten grandios improvisiert. Wir sind einfach nur glücklich, sitzen im Cockpit, genießen das Essen und den Primitivo aus dem Weinschlauch.
Is this perfect? Of cause, my dear :-)

12. Juni 2017 - Harwich Shotley Marina - My first fish & chips
Lazy day. Wir stehen spät auf und sitzen lange am Frühstückstisch im Cockpit. Gegen 11 raffen wir uns endlich auf um mit der kleinen Fähre in den Ort Harwich zu fahren, der auf der  anderen Flussseite liegt. Wir stehen auf dem Ponton. Und nix passiert. Valentin erfährt von der Hafenmeisterin, dass die Fähre wegen starkem Wind heute nicht fährt. Dabei haben wir nur um die 4 Beaufort. Naja, so what. Wir verholen uns in den Pub der direkt an der Marina liegt, er heißt bezeichnenderweise "the shipswreck". Wir bestellen 3 Portionen der britischen Standardernährung und trinken dazu ein "Ghostship" aus der lokalen Adnams Brauerei. Beides lecker. Der Ausblick auf das gegenüberliegende Containerterminal ist amazing. Der Hafen ist der größte Containerumschlagplatz Englands und so gibt es immer etwas zu schauen. Gegen 16 Uhr drehen wir eine kleine Runde durch den Hafen und widmen uns danach einem Beautysleep an Bord von randale nordic.
Zum Abendessen gibt es Lachs in Sahnesauce, zubereitet in der Bordküche, dazu einen gut gekühlten Weißwein aus Rheinhessen. Da uns an unseren 10000 Schritten noch gefühlte 9000 fehlen laufen wir einen Weg den River Stour entlang. Die Abendstimmung ist traumhaft schön, die auflaufende Tide füllt den Fluß langsam wieder. Die Lichter der Containerterminals und Frachter spiegeln sich spiegelglatten Wasser, very peacefull. Auf dem Rückweg kehren wir noch kurz in einen Pub ein. Ich entdecke gleich ein altes Sofa, setze mich in Ecke, versinke dort und lasse mir von Karl-Heinz ein Bierchen mitbringen.
Viel passiert ist heute nicht, trotdem ein sehr schöner Tag. Good night.

13. Juni 2017 - Harwich Shotley Marina - River Orwell - Ein anderes Jahrhundert
Der Wind bläst sehr schwach und für London aus der falschen Richtung. And now? Wir bleiben noch einen Tag in Shotley Gate. Wir nutzen den Tag um über den River Stour nach Harwich zu fahren, mit Honey, unserem Schlauchboot. Gegen 10 wird unser 2,70 Meter langes Schlauchboot aus der Marina ausgeschleust. Als einziges Boot in der Schleusenkammer. 15 Minuten später klettern wir ungelenk auf die Pier von Harwich. Der Ort hat sicher schon bessere Tage erlebt, versprüht aber einen tollen, morbiden Charme. Seefahrts- und Fischereigeschichte pur, gepaart mit  maritimer  Atmosphäre. Auf der Half Penny Pier genießen wir Nordseekrabben zum Selberpulen.
Nachdem wir unsere Einkäufe gemacht haben fahren wir mit dem Schlauchboot den River Orwell hinauf. Das erste Stück ist geprägt von der Geschäftigkeit des Containerterminals. Aber bereits nach der ersten Flussbiegung erwartet uns eine völlig andere Welt. Der Fluss liegt breit vor uns, in der Mitte liegen Yachten an ihren Moorings, die Ufer sind geprägt von grünen Wäldern, Wiesen und Schilfgürteln. Nach einer Stunde erreichen wir Pin Mil. Surreal. Ein kleiner Ort, vergessen von der Zeit. Kleine Weften, Schiffe die vor Anker liegen und ein Pub. Wir machen das Boot an einem Steg fest, laufen durch diesen bezaubernden Ort und nehmen auf der Terrasse des Butt and Oyster einen Cappucino. Eine Gruppe junger Reiterinnen erscheint und galoppiert durch das seichte Wasser. Ein Platz ursprünglicher Schönheit und entspannter Menschen. Um es mit den Worten von Karl-Heinz zu sagen: Nur schön.
Mit der ablaufenden Tide fahren wir zurück zur Shotley Marina, schleusen ein und machen am Heck von randale nordic das Schlauchboot fest. Die Rückfahrt war recht frisch, und so wärmen wir uns an einem Schluck Obstler. Und an einem zweiten. Als ich mir meinen Pullover aus dem Vorschiff hole fällt mir der Karton mit Rotwein in die Hände. Als Karl-Heinz noch den Weißwein aus der Kühlbox mit ins Spiel bringt, ist der Nachmittag vorbestimmt...
Gegen Abend kocht Valentin in der Kombüse ein wunderbares Chili con Carne. Der große Kochtopf ist gut gefüllt, aber es bleibt nix übrig. Sehr satt und sehr zufrieden machen wir noch einen Gang über die Stege und bewundern Holzklassiker, moderne und schnelle Performance Cruiser und den Blick auf ablegende Containeriesen. Let`s call it a perfect day.

14. Juni 2017 - Harwich Shotley Marina - Queenborough . Möge die Tide mit dir sein
Bereits gestern Abend habe ich gerechnet. 8.10 Uhr Niedrigwasser in Sheerness ist 9.10 Uhr Bordzeit. Die Tide läuft aus de River Orwell etwas früher. Aber wir brauchen einlaufende Tide im Themsedelta. Schlussendlich liegen wir 8.45 Uhr an der kleinen Tankstelle der Marina, bunkern Diesel und Gas und schleusen aus. Good journey ruft uns der Hafenmeister von seinem Turm überhalb der Schleuse zu, thanks und goodbye. Der Plan geht auf. Die Tide schiebt uns an Harwich vorbei in die Nordsee. Wir erreichen trotz des schwachen Windes Geschwindigkeiten bis 9 Knoten. Lings und rechts liegen immer wieder Sandbänke, die es zu umschiffen gibt. Aber wir erleben traumhaftes Segeln. Mittags zaubert Valentin einen wunderbaren Salat. Dazu wieder einen Schluck Rheinhessen. Karl-Heinz scheint inzwischen genug geschlafen zu haben, er setzt seine Energie in Basteleien am Boot um. Der Relingsdraht wird neu gespannt und auch die Borduhr geht nicht mehr die obligatorischen 10 Minuten nach. Die ganze Zeit schiebt uns der Gezeitenstrom unserem Ziel entgegen. Ich verleihe mir innerlich den heutigen Sonderpreis für ausgefeilte Tidennavigation. Bevor die Tide kentert erreichen wir nach Ankündigung über Kanal 8 Queenborough Habour. Was man hier so Hafen nennt. Nachdem wir in den River Medway eingelaufen sind knickt das Fahrwasser nach 3 Meilen in The Sword ab. Da liegen wir nun mitten im Fluß an einer Mooringstonne. Schön im eigentlichen Sinne ist es hier nicht. Das eine Ufer säumt eine Betonpier, das andere zeigt einen Blick auf ein Kraftwerk und Ladekräne eines Containerterminals. Trotzdem genießen wir den Abend im Fluß treibend sehr. Wir sitzen bis zum Sonnenuntergang im Cockpit, lauschen Simon & Garfunkel, vertilgen den Schweizer Wurstsalat von Valentin und erzählen viel.

15. Juni 2017  Queenborough - London . Sie haben ihr Ziel erreicht
Ich werde früher wach als sonst und stecke den Kopf aus dem Vorluk. Aber randale nordic liegt ruhig an ihrer Boje. Nach dem Frühstück steige ich mit Karl-Heinz ins Schlauchboot und wir motoren zu dem Ponton, auf dem das Hafenbüro ist. Keiner da. Also laufen wir über den langen Steg in das Städtchen Queenborough. Ein kleiner, sehr netter Ort. Viele kleine Häuschen und ein kleiner Hafen der komplett trocken fällt. Als wir zurück auf dem Ponton sind schnorren wir einen britischen Segler an, ob er einen Zettel und einen Stift hat. Wir falten das Papier, stecken 20 Euro hinein und hinterlassen so unseren Gruß an den Hafenmeister.
Das Ablegemanöver von der Mooringboje klappt prima, und pünktlich zum auflaufenden Wasser laufen wir aus dem River Medway in die Themse ein. Wir brauchen ca. 6 Stunden bis London. Der Wind bläst uns aus Westen entgegen , und so laufen wir die ganze Zeit unter Maschine. Besonders reizvoll ist das Ufer der Themse nicht, viel Industrie, Hafenanlagen und Containerterminals.
Auf der Höhe von Tilbury geht plötzlich ein großes Schlauchboot längsseits. Die Küstenwache fragt nach dem woher und wohin, gibt sich aber mit den Antworten zufrieden und dreht ab.
Am Nachmittag erreichen wir London. Was für eine Stadt. Einfach riesig, die Bauwerke, die Entfernungen. Wir überqueren den Null-Meridian bei Greenwich, sehen die O2-Arena und die Cutty Sark, die in Greenwich liegt. Und dann Liegt sie vor uns: Die Towerbridge. Wir fühlen uns wie die Großen, machen Fotos und freuen uns riesig. Die Kulisse der Stadt ist grandios, alles sprüht vor Leben. Direkt vor der Bridge liegt unser Hafen, Saint Katherine Docks. Wir schleusen nach der Anmeldung über Kanal 80 in die Marina ein. Was für ein Ort. Mitten in der City gelegen ist der Hafen mit seinen 3 Becken ein beliebter Ort für die Londoner. Cafes, Restaurants und Pubs rund um das Hafenbecken.
Um 19 Uhr kommt Steffi an Bord, eine Nichte von Karl-Heinz die in London lebt. Wir gehen in eines der Restaurants das direkt am Hafen liegt. Das Ribeye haben wir uns verdient, sind wir doch auf eigenem Kiel bis in die britische Metropole gesegelt.
Dann erreicht mich eine schlechte Nachricht. Unsere Parvane hat sich beim Fahrradfahren einen Arm gebrochen. Britta wäre eigentlich morgen früh um 6 Uhr zu mir nach London geflogen, aber sie muss die Reise abbrechen. So mischen sich bei mir die riesige Freude über diese großartige Stadt mit der Trauer, dass meine Brittifrau nicht zu mir an Bord kommt und der Sorge um Parvanes Arm. Ich habe gleichzeitig Hoch- und Niedrigwasser in mir, die Gezeiten in mir strömen. Feeling high and low heißt es in einem Lied, und das beschreibt es sehr gut.

16. + 17. Juni 2017  - Walking the streets of London
Wir fühlen uns sehr wohl auf unserem Liegeplatz. Der Freitagmorgen beim Frühstück läuft sehr entspannt. Bis wir feststellen, das Honey, unser neues Schlauchboot nicht mehr am Heck hängt. Das hat mir gerade noch gefehlt, nach der Hiobsbotschaft das Britta nicht kommt und Parvanes Arm gebrochen ist. Valentin beginnt sofort den Hafen abzusuchen. Ich schlinge schnell mein Spiegelei runter und mache mich auch auf die Socken. Am Steg der Schleuse sehe ich es dann, fest vertäut. Ich bin sehr erleichtert, es wieder zu haben. Ich glaube, ich muss mein altes Buch über Knotenkunde mal raussuchen...
Danach laufen wir los, die Themse am Südufer entlang. Überall gibt es etwas zu entdecken. Viel Geschichte, irre Wolkenkratzer, Menschen aus allen Nationen. Big Ben ist unser Wendepunkt. Gegen 17 Uhr sind wir wieder an Bord. Ziemlich platt. Trotzdem raffen wir und noch auf und gehen einkaufen. Den Abend verbringen wir im Cockpit und schmeißen den Grill an, nach den vielen Eindrücken reichen uns heute Abend die 10 Meter des Bootes aus.
Den Samstag nutzen wir für eine Bustour durch London, essen am London Eye einen riesigen Hotdog und trinken ein britisches Bitter. Die Sonne brennt heute erbarmungslos, die 30 Grad und der wolkenlosen Himmel kommt uns sehr untypisch vor.
Als wir wieder an Bord sind, duschen wir uns mit dem Schlauch am Steg eiskalt ab. Gegen Abend werden die Temperaturen erträglicher und wir gehen noch um die Ecke zu einem Italiener und essen einen Salat.
Wir haben für morgen früh um 7 unseren Schleusentermin. Der Hafen öffnet nur zweimal am Tag seine Tore, jeweils eine Stunde vor und nach Hochwasser.

17. + 18. Juni 2017  - London - IJmuiden      Voll das Moderboot
Pünktlich um 6.50 werden wir vom Hafenmeister auf Kanal 80 in die Schleuse gerufen. Wir hatten uns am Tag vorher für die erste Schleusung angemeldet. Valentin geht bezahlen und den Stromadapter zurück geben. Die Rechnung ist nicht so katastrophal wie für diesen Hafen erwartet hatten. Wir zahlen ca. 70 Pfund für die Nacht, ca. das 3-fache eines normalen Yachthafens, fühlen uns aber fair behandelt. Karl-Heinz ruft bei der Tankstelle in der Themse an, wir brauchen noch Diesel, die Wetterberichte sprechen von schwachen Winden. Only a motherfucking answering machine. Die Schleusenwärterin berichten, dass dort Sonntags nicht gearbeitet wird. Na klasse. Wir dürfen das Boot in der Schleuse liegen lassen, packen die Bordfahrräder aus und fahren mit 2 Kanistern zu nächsten Autotankstelle.
Dann geht es raus auf die Themse, ein letzter Blick auf London, das Baguette von der Tankstelle ist ein prima Frühstück. Der Strom schiebt ordentlich mit, wir erreichen Geschwindigkeiten bis 9,5 Knoten. Östlich von London passieren wir dann eine riesige Müllverbrennungsanlage, die Valentin gebaut hat. Es ist sehr heiß und wir spannen die Persenninge des Bimini über das Cockpit.
Im Themsedelta kentert dann die Tide, es geht sehr langsam voran als wir nordwestlich Richtung Nordsee motoren. Alles etwas tricky, wir umrunden zahlreiche Flachs und Untiefen, 2 riesige Windparks und versuchen mit Hilfe von AIS die Großschifffahrt im Blick zu behalten. Über die UKW-gestützte  Schiff-Schiff-Verbindung kann man kontrolliert seinen Kurs setzen, der Plotter zeigt die Schiffe als kleine Dreiecke. Tippt man sie an, werden Kurs und Geschwindigkeit angezeigt. Extrem hilfreich.
Gegen 22 Uhr bereiten wir Nordi für die Nacht vor. Ich übernehme die erste Wache und darf den Sonnenuntergang erleben. Karl-Heinz kommt zur Hundewache gen 00.30 Uhr aus seiner Koje gekrochen. Wie immer mit lauten Gegähne. Valentin sagt dann immer, es hört sich an als wäre man am Sambesi, wenn die Flusspferde erwachen.
Ich lege mich hin und habe pünktliche zum Sonnenaufgang meine nächste Schicht. Wir motoren immer noch. Wir haben einen Dieseltank mit 120 Litern, und die Maschine braucht bei 5 Knoten Fahrt ca. 2 Liter/Stunde. Müsste bis Holland reichen.
Um 9 Uhr haben wir noch gut 50 Meilen vor uns. Das Handy hat wieder Empfang und ich schicke eine WhattsApp Nachricht an die family.Gegen Mittag können wir dann endlich segeln. Der Wind kommt mit 10 Knoten aus Nord und wir können genau IJmuiden anliegen. Traumhaftes Segeln. Kurz vor dem Ziel können wir uns kaum durchringen die Maschine wieder zu starten, geht doch die Fahrt damit zu Ende. Aber wat mut dat mut, und so laufen wir gegen 19 Uhr in die Marina ein. Wir klönen ein wenig mit dem Nachbarboot, gehen essen und beenden den Abend an Bord mit einem Espresso...


20. Juni 2017  - IJmuiden  Volendam -  Nordseekanal und Gegenan
Wir verlümmeln den ganzen Vormittag in IJmuiden, frühstücken lange, gehen duschen und bunkern Wasser. Gegen Mittag kommen wir dann los. Das Einschleusen durch die Seeschleuse geht zügig, wir werden zusammen mit einem kleinen Tankschiff geschleust. Dann sind es ca. 10 Seemeilen auf dem Nordseekanal bis Amsterdam. Unglaublich viel Berufsschifffahrt fährt uns um die Ohren. Valentin am Ruder behält auch die Ruhe, als uns in Amsterdam gleichzeitig 2 Frachter überholen, 3 entgegen kommen, 4 Fähren quer durch das Fahrwasser fahren und zahlreiche kleine Schiffe uns umkreisen. Vor der Oranjesluis, die uns ins Markermeer bringt, legen wir kurz an, werden dann aber schnell abgefertigt. Im Markermeer erwartet uns dann Wind gegenan. Wir kreuzen auf bis Marken, eine unangenehm steile Welle läuft uns entgegen. Als der Windmesser 5 Beaufort anzeigt, reffen wir das Großsegel und sind froh als wir auf Höhe des Leuchtfeuers Marken abfallen und Kurs auf Volendam nehmen können. Wir finden in Volendam einen tollen Liegeplatz an der Außenmole, bezahlen unser Hafengeld am Automaten und gehen essen. Valentin und Karl-Heinz vertilgen einen riesigen Topf mit Miesmuscheln, ich lasse mir ein Steak schmecken.

21. Juni 2017  - Volendam Hoorn - Ich hasse Seegras
Unser Tagesziel ist das nur 10 Seemeilen entfernte Hoorn, Namensgeber für das legendäre Kap Hoorn an der Südspitze Südamerikas. Wir bummeln die wenigen Seemeilen vor uns hin. Aber irgendwie wird das Boot immer langsamer. Wir sehen, dass in dem nur 3 Meter tiefen Wasser Seegrasfelder bis an die Oberfläche wachsen. Wir bergen die Segel, legen das Schiff vor Anker und Karl-Heinz taucht unter das Schiff, um das Gras vom Ruder, dem Kiel und der Schraube zu entfernen. Wenige Seemeilen vor dem Hafen müssen wir das Manöver noch einmal wiederholen, wir haben mit der Schraube Seegras aufgewickelt wie Spaghetti auf der Gabel. Gut, dass Karl-Heinz so eine Wasserratte ist und uns aus der misslichen Lage befreit. Ich hasse dieses Mistzeug, es ist, als würde mach durch Gemüsesuppe segeln.
In Hoorn finden wir wieder einen tollen Liegeplatz, direkt an einem Park gelegen, mit Blick auf den Hafen und die wunderschöne alte Stadt. Valentin verschwindet in der Kajüte. Es gibt Bratkartoffeln mit Speckböhnchen zu unserem Nieuwe Haring, dem Matjes, den wir morgens noch in Volendam gekauft hatten. Karl-Heinz und ich fummeln noch etwas am Schiff rum, befreien das verklemmte Schiebeluk und kratzen wieder ein paar Quadratzentimeter verschmierte Grundierung von der letzten Fenstermontage vom Aufbau.
Am Abend machen wir noch einen Spaziergang durch die Altstadt, trinken einen Cappuccino und wegen der Malariagefahr Gin Tonic. Nach den langen Etappen nach England genießen wir sehr das idyllische Geschehen hier in Holland. Wir haben Sommerwetter pur, viel Sonne und Wärme. Am Horizont kann ich bereits den Wasserturm von Lelystad erkennen, unser Tagesziel für morgen, nur 3 Segelstunden entfernt und der derzeitige Heimathafen von Nordi.

22. Juni 2017  -  Hoorn  Lelystad - Going home
Die letzte Etappe steht an. Routiniert legen wir morgens ab, nach den zwei Wochen weiß jeder von uns, was er tun hat. Karl-Heinz und Valentin handeln die Leinen, ich stehe am Ruder. Noch im Hafenbecken setzen wir Segel, passieren die Molenköpfe der Hafeneinfahrt und nehmen direkt Kurs auf unseren Heimathafen. Ich mache die mechanische Selbststeueranlage klar, senke das Servoruder ins Wasser und richte die Windfahne aus. Das Wunderwerk der Mechanik hält das Schiff sicher auf Kurs. Läuft das Schiff aus dem Kurs, lenkt die nachdrehende Windfahne das Servoruder in eine Position, in dem es genug Kraft erzeugt um über die Steuerseile das Steuerrad zu drehen. Ich kann dieser Konstruktion stundenlang bei der Arbeit zusehen.
In Lelystad erwartet uns die letzte Schleusung. Anweisung an die Crew sind kaum noch nötig, die Fender hängen inzwischen auch so in der richtigen Höhe in der richtigen Position. Ein letztes Anlegemanöver und die Reise ist vorbei. Wir sind alle ein wenig wehmütig, haben wir doch so viele Eindrücke mitnehmen können. Wir vertilgen Abends die letzten Vorräte und gehen schlafen, als Andrea an Bord kommt um uns am nächsten Morgen in die Heimat zu bringen. Und nun? Wie gehts weiter? Wir haben uns schon auf der Reise immer wieder in die Augen geschaut und sind uns sicher, auch einige der nächsten Etappen gemeinsam zu segeln. Also: Going Guernsey...


15. Mai 2016 - Auf dem Bolzplatz
Um 9 Uhr morgens fahre ich das letzte mal für die nächsten Jahre das Fahrwasser aus Heiligenhafen hinaus. Als ich über die Schulter zurück schaue, muss ich kurz schlucken. Auch wenn am Heck von randale nordic Greifswald steht, mein Heimathafen wird für immer Heiligenhafen sein. Der Ort, an dem mir Seebeine wuchsen.
An der Ansteuerung drehen wir das Schiff in den Wind und Karl-Heinz setzt das einmal gereffte  Großsegel. Als wir abfallen und die Fock ausrollen klettert die Logge auf 8 Knoten. Der Windmesser errechnet 18 Knoten Wind. Klasse. Bis wir auf den Amwindkurs eindrehen. Im Fehmarnsund steht eine fiese Welle und das Gebolze beginnt. Wir beginnen Richtung Laboe zu kreuzen, gute 30 Seemeilen direkter Weg. Aber bei der Welle erreichen wir nur Wendewinkel über 50 Grad und die Strecke zieht sich. Als wir das Ende der Hohwachter Bucht erreicht haben nehmen wir die Segel weg und bolzen mit der Maschine gegenan. AK voraus, Herr Kaleun.
Eine Regenbö mit über 30 Knoten zieht über uns hinweg. Am Gestänge des Bimini rutscht ein Beschlag, der nicht richtig festgedreht ist und das Sonnendach wölbt sich wie ein Gleitschirm. Der Inbus hat ein englisches  Maß, habe ich natürlich nicht an Bord. Aber mit einem Bändsel lässt sich der Paraglider am Heck bändigen.
Gegen 15 Uhr erreichen wir Laboe, etwas durchgefroren und angefeuchtet. Britti ist froh, wieder fest am Steg zu liegen. Besonders ihr Magen ist sehr dankbar.
Abends brutzeln wir Rouladen im neu angeschafften Schnellkochtopf. Miri und David kommen an Bord, sie haben vor ihrer Heimfahrt nach Kassel noch in einem schicken Strandhotel mit Blick auf die Förde übernachtet. Karl-Heinz und ich machen noch einen Spaziergang und schauen uns das Zimmer an. Unsere 10000 Schritte erreichen wir heute nicht, aber das IPhone bescheinigt immerhin 6000. Wir sind uns einig, dass wir in  Verbindung mit unserem Segeltag genug Bewegung hatten und genießen mit gutem Gewissen unsere abendliche Trilogie aus Obstler, Espresso und Zartbitterschokolade.

16. Mai 2016 - Den Kanal voll
Haben wir gegen 17.00 Uhr als wir Brunsbüttel erreichen. Nach 9 Stunden Fahrt durch den Nord-Ostsee-Kanal.
Der Tag beginnt früh, schon um 6 Uhr ist Leben auf dem Boot. Karl-Heinz springt noch schnell unter die Dusche während ich das Boot klar zum Auslaufen mache, den Landstrom einhole und mir die Unterlagen vom Kanal anschaue.
Britti will eigentlich liegen bleiben, wir legen auch ohne sie ab, ab das sonnige Wetter lockt sie doch an Deck. In der magischen Atmosphäre der fast windstillen Kieler Förde genießen wir den ersten Kaffee, passieren Friedrichsort und erreichen die Schleusenanlage in Kiel Holtenau. Kiel Kanal , Kiel Kanal für randale nordic. Karl-Heinz ruft die Schleuse über UKW-Kanal 12 und fragt, wie wir uns verhalten sollen. Aha, zwischen den Anlagen auf Standby gehen und warten. 15 Minuten später laufen wir in die Nordkammer ein und machen an den glitschigen Anlegern fest. Die Schleusung dauert nur wenige Minuten und wir werden wieder ausgespuckt. 98 Kilometer Kanalfahrt liegen vor uns. Es weht uns ein kalter Westwind entgegen, und so wechseln wir drei uns im Stundentakt am Ruder ab. Viel zu tuen gibt es nicht an Bord. Der Yanmar schnurrt mit 2500 U/min und wir verbringen den Tag mit essen, rudergehen und schlafen. Morgens ein Müsli, am späten Vormittag die Reste vom Vortag und später Pfannkuchen mit Camenbert.
Zwischendurch kommen uns immer wieder große Frachter entgegen, der Kanal ist die am meisten befahrene künstliche Wasserstraße der Welt. Links und rechts ist viel Grün, kleine Ortschaften, Angler. Die letzten Kilometer ziehen sich, die Kälte sitzt uns in den Knochen.
Das Anlegebier trinken wir in einer kleinen Kneipe mit Kanalblick, gut geheizt. Von unserem kleinen Stadtbummel bringen wir uns einen Döner mit, den wir an Bord vertilgen. Danach machen wir noch kleinere Reparaturen auf dem Boot, Karl-Heinz ziegt die Schrauben eines Handlaufs nach und klebt die Befestigung der Jalousien neu ein während ich den Tidenkalender studiere. Ab morgen diktieren die Gezeiten unseren Tagesrhythmus.

Auf dem AIS (Automatic Identification System)

Und life

17. Mai 2016 - Im Gezeitenstrom mit Jan Cux
11.01 Uhr ist Hochwasser in Brunsbüttel. Vor- und nachher steht das Wasser ca. eine halbe Stunde. Wir können also ab 10.30 Uhr ausschleusen um mit dem ablaufenden Wasser nach Cuxhaven zu fahren. So die Theorie.
Praktisch stehen wir um 8 Uhr morgens auf. Ein Müsli-Frühstück und  tolle Duschen bringen uns in den Tag. Danach laufen wir in den ortsansässigen Edeka und füllen unseren Kühlschrank, Fisch-Schmidt versorgt uns mit Kabeljau-Filet. Gegen 11.30 Uhr schleusen wir endlich aus dem Kanal aus und randale nordic schwimmt in der Elbe. Wir laufen unter Maschine Richtung Cuxhaven. Speed over ground 4 Knoten, Fahrt durchs Wasser 5 Knoten. Ich zweifel erstmal an meinen Rechenkünsten, der Ehrenpreis in Tidennavigation geht heute wohl nicht an mich. Etwas später können wir die Fock setzen und laufen die Elbe weiter herab. Eine Stunde vor Cuxhaven segeln wir mir 9 Knoten Speed, der Ebbstrom läuft jetzt doch mit 3 Knoten mit uns.
In Cuxhaven tanken wir Diesel und füllen den Wassertank. Auch in dem war Ebbe. Karl-Heinz ist der beste Performance-Abspüler zwischen hier und Oklahoma, aber der Wasserverbrauch dabei gleicht dem eines mittelgroßen Chemiewerkes.
Spargel mit Dorsch, vorweg einen Gin-Tonic und zum Nachtisch frische Erdbeeren. Um das wieder weg zu bekommen, versuchen Karl-Heinz und ich unsere 10000 Schritte zu erreichen und schauen uns die "Alte Liebe", den Hamburger Leuchtturm und das Feuerschiff Elbe 1 an. Schritttechnisch erreichen wir unser Tagesziel nicht ganz, aber wir sind sehr zufrieden mit dem Tag und dem Abend.

18. Mai 2016 - Trottellummen, Knieper und die lange Anna
Um kurz vor 6 klappe ich meine Augen auf. Der eigentliche Plan war, nach 10 zu starten um möglichst nahe an das ablaufende Hochwasser zu kommen. Aber das kommt erst kurz vor zwölf, und gestern habe ich gelernt, dass das Wasser noch anderthalb Stunden nachläuft. Also doch jetzt starten. 10 Minuten später laufen wir tatsächlich aus, die Elbe schiebt uns mit 9 Knoten in die Nordsee. Anfangs sehr schwachwindig, können wir später den Code  Zero und das Groß setzen und Kurs auf Helgoland nehmen. Ein herrlicher Segeltag erwartet uns, viel Sonne und Wind aus südlichen Richtungen.
Bereits gegen 13 Uhr erreichen wir den roten Felsen im Meer und finden einen  Liegeplatz im Südhafen. Wir bezahlen unseren Liegeplatz beim drögen Hafenmeister, der mühselig unsere Daten in den Computer tippt. Mit den Duschen hat er nichts zu tuen, die werden privat betrieben. Na dann, vielen Dank für den freundlichen Empfang.
Wir fahren mit einer kleinen Fähre hinüber zur Düne, einer kleinen Sandinsel, die Helgoland vorgelagert ist. Die Insel steht unter Naturschutz. Bei unserem Strandspaziergang sehen wir mehrere Seehundkolonien, die im Sand in der Sonne dösen. Man kann sich den Tieren sehr leicht nähern, sie zeigen keine Scheu gegenüber Menschen. Wir legen uns ca. 25 Meter entfernt ebenfalls in den Sand und beobachten das Treiben der Herde. Im Wasser rangeln sich zwei Jungbullen, aber der Rest liegt unbeeindruckt am Strand und relaxt. Sehr inspirierend, einige Minuten später liegen auch wir und Karl-Heinz schnarcht mit den Robbies um die Wette.
Als wir zurück auf Helgoland sind, besichtigen wir das Unterland, das etwas den Charme der späten Siebziger versprüht. Mit einem Aufzug gelangt man ins Oberland, wir laufen am Klippenrand um die gerade mal einen Quadratkilometer große Insel. Die Brutkolonien sind sehr beeindruckend, man kommt den Trottellummen, Basstölpeln und Möwen sehr nahe. Wieder ein tolles Naturerlebnis. Wir fotografieren die lange Anna, den riesigen allein stehenden Felsen,  aus mehreren Perspektiven und beobachten die Alexander von Humboldt zwo beim Einlaufen. Als wir wieder am Schiff sind, zeigt der Schrittmesser von Karl-Heinz mehr als 16000 Schritte. Wir haben uns ein lecker Abendbrot verdient!
In einem kleinen Restaurant in der Nähe der Promenade essen wir Knieper, die helgoländer Variante von Hummern. Das Gerät zum Zerlegen und Pulen könnte auch ein Zahn- oder Fauenarzt gut verwenden, aber man bekommt damit auch prima das Fleisch aus den Zangen. Zufrieden mit diesem fantastischen Tag beenden wir den Tag wie immer, ein Espresso, ein.....

19. Mai 2016 - Earlybirds
Wir liegen in Helgoland im Päckchen, das heißt wir liegen an der Pier und neben uns 2 Yachten Bordwand an Bordwand. Wann wir morgen loswollen fragen unsere Nachbarn. Naja, wir wollen nach Borkum und haben so 70 Seemeilen vor uns. Ist so zwischen 5 und 6 ok?
Morgens um 5 klopft es tatsächlich auf unser Deck, beide Mannschaften in Manöverbereitschaft. Wir sind noch nicht ganz so weit, schnell in die Bordhose, Schuhe an und an Deck. Moin Nachbarn, danke, dass das klappt. Ich starte den Diesel, Karl-Heinz hat schon den Landstrom gezogen und Britti sortiert Leinen und Fender. 10 Minuten später dampfen wir durch die Molenköpfe und gehen Kurs West-Süd-West. Nach diesem Kaltstart kochen wir erstmal einen Kaffee, die See ist spiegelglatt.  Wir dösen durch den Tag,  kochen,  reparieren und lesen. Wir kreuzen zweimal Schifffahrtwege, den Terschelling - German Bight und den Western Approach, Autobahnen für Tanker und Containerriesen. Durch unser neu installiertes AIS (Automatic Identification System) kein Problem, wir sehen die bis zu 25 Knoten schnellen Schiffe auf unserem Plotter und können unseren Kurs anpassen.
Gegen 16 Uhr erreichen wir Borkumriff und laufen in das Ems-Delta ein, fahren an Borkum vorbei und drehen an der Fischerbalje in die Zufahrt zum Hafen. 18 Uhr, Schiff fest.
Der Hafen ist grauselig, ein alter Militärhafen. Aber wir werden sehr nett von der Hafenmeisterin empfangen die uns auch den Toilettenschlüssel übergibt. Wir bummeln durch den Hafen und trinken unser Anlegebier im Restaurant Yachthafen. Naja, genauer eine Sprite, ein Kaffee und ein Nullzweier Bierchen. Für morgen planen wir einen  Hafentag.
Ich bin sehr froh, dass wir so zügig bis hier gekommen sind. Ab hier sind wir weitgehend wetterunabhängig. Starker Westwind hätte die Passage durch die Nordsee unmöglich gemacht, aber durch die langen Etappen haben wir die Wetterfenster nutzen können. Und wie immer dabei: Meine Brittifrau. Wie heißt es bei den Sportfreunden Stiller? Will ich mal wieder mit dem Kopf durch die Wand, legst du mir Helm und Hammer hin. Das macht Britti auch, sie unterstützt in jeder Situation, bleibt ruhig. Meine Navigatorin!

Wissen nicht immer, wo es lang geht

Weiß immer, wo es lang geht

20. Mai 2016 - Lazy day
Wir werden aus Gewohnheit alle um 6 Uhr rum wach, obwohl wir einen Hafentag machen. Senile Bettflucht. Bleiben aber liegen und dämmern wieder ein. So richtig leben kommt erst gegen 10 Uhr ins Schiff, wir kochen uns Kaffee und ein Eichen. Gegen Mittag laufen wir in den Hauptort von Borkum, 7 Kilometer von unsrem Liegeplatz entfernt. Ca. 16000 Schritte, sagt Karl-Heinz Schrittzähler. Die letzten Meter beginnt es zu regnen, wir flüchten in ein Kaffee. Den Ort schauen wir uns im Laufschritt an, es hat sich eingeregnet. In einem Edeka machen wir Einkäufe. Zurück gönnen wir uns ein Taxi und Britti verstaut unsere Beute in den Schapps.
Borkum ist eine schöne Insel, viel Natur, endlose Strände. An der Hauptpromenade kann man alte Seebäderarchitektur bewundern. Direkt von der Promenade aus kann man Sandbänke mit Seehunden beobachten.
Diese Zeilen schreibe ich, während wir im Restaurant "Zum Yachthafen" sitzen und ich auf meinen Kabeljau nach Art des Hauses warte. Mal schauen, wie das Essen schmeckt, für den Laden spricht auf jeden Fall das tadellose Wlan.

Frühstücksbrettchen von Karl-Heinz getischlert ;-)

Feuerschiff Borkumriff - außer Dienst, wie alle deutschen Feuerschiffe

21. Mai 2016 - I understood
Langsam bekomme ich eine Ahnung, was segeln in Tidengewässern bedeutet. Das Wasser fließt in der Nordsee immer langsamer, und somit länger, rein als raus. Wir starten heute erst zweieinhalb Stunden nach Niedrigwasser und die Tide spült uns planmäßig in die Ems Richtung Delfzjil. Ich verleihe mir innerlich den Ehrenpreis für hervorragende Kenntnisse im Wattenmeer, übersehe aber dabei fast eine Fahrwassertonne, auf die uns der Tidenstrom quer zuschiebt. Unser Yanmar heilt das Manöver und wir haben drei herrlich Segelstunden. Obwohl wir streckenweise aufkreuzen, erreichen wir am Wind 9 Knoten über Grund.
In Delfzjil erwartet uns unsere erste Schleuse, wir verlassen die Nordsee und die Seeschleuse senkt uns ins Binnenland. Wir tuckern den Emskanal durch Friesland. Links und recht von uns weite Felder, Weiden, Kühe. Vereinzelt stehen Gehöfte und Baumgruppen in der Landschaft.
Die erste Brücke liegt vor uns. Und nun? Aha, die haben uns schon gesehen, die Brücken sind kameraüberwacht. Das Signal springt von rot auf rotgrün, Standby. Wenn die Ampel grün zeigt: Nix wie durch. Yachten begegnen uns nur sehr wenige, aber einige Binnenfrachter kommen uns entgegen.
Um 15 Uhr erreichen wir Groningen und finden einen Liegeplatz mitten in der Stadt. Wir liegen in einer Gracht und genießen das Treiben um uns herum. Die Studentenstadt ist auf den Beinen, irgendwas wird gefeiert. Auf dem Wasser sind viele Gruppen mit Sloepen (Schaluppen) unterwegs, laute Musik, Gelächter. Die Stadt ist eine lebendige Mischung aus traditioneller Architektur und internationaler Moderne. Der Hammer, ob man sich in meinem Alter noch an der Hanze-Uni einschreiben kann?
Wir beenden den Abend im Cockpit, überbackene Auberginen, Nudeln mit Lachs-Sahne-Sauce und roter Grütze mit Vanille-Sauce.

22. Mai 2016 - Friesland
Um 9 Uhr morgens starten wir, vorher sind die Schleusen und Brücken nicht in Betrieb. Wir werden in einer 3er-Gruppe durch Groningen gelotst. Eine Moody 54, ein riesiges Motorboot und wir. Der Schleusenwärter radelt neben uns her, von Brücke zu Brücke, sperrt den Straßenverkehr und öffnet die Brücken. Unfassbar, gestern haben wir sogar eine Autobahn gekreuzt, die für uns als einziges Boot gesperrt wurde, um uns als einziges Boot  durchzulassen.
Die "Staande Mastroute" (Stehende Mast Route - man kann mit stehendem Mast durch ganz Holland fahren) hat uns mitten durch das großartige Groningen geführt. Es gibt viel zu sehen, tolle Wohnschiffe und Hausboote, Häuser, Leben in der Stadt.
Nach zweieinhalb Stunden haben wir den Brücken-Marathon hinter uns fahren durch das ländliche Friesland. Das bunte städtische Treiben wechselt in weite Landschaften. Das Wetter ist so lala, es regnet nicht viel, aber der graue Himmel hängt über den grünen Feldern. Wir durchqueren nicht viel Orte, Abwechslung bringen nur die wenigen Schleusen und Brücken.

Als wir einen Tankstopp einlegen, entdecken wir ein Schild: Mastenbauer. Karl-Heinz ist sofort Feuer und Flamme, er braucht einen neuen Holzmast für seine Argo, die alte Holzplanke. Da haben sich zwei Holzwürmer gefunden, sofort wird über Lackierungen und Holzsorten gefachsimpelt, Email-Adressen ausgetauscht und erste Verabredungen getroffen. Während dessen bespricht Britti auf englisch mit einer italienischen Yacht, wann wir den Liegeplatz an der Tankstelle räumen und wo überhaupt der Hafenmeister zu finden ist. Als Karl-Heinz und ich vom Mastenbauer zurück kommen, räumen wir den Liegeplatz und fahren weiter.

An einer flachen Stelle laufen wir auf. randale nordic hat einen recht tiefen Kiel, mit 1,90 Meter sind wir an der Obergrenze, die Route überhaupt fahren zu können. Wir kommen aber leicht wieder frei und können die Fahrt fortsetzen, bis wir um 18.30 Uhr Dokkum erreichen.
Wir machen direkt in der Stadt fest, es regnet. Wir stellen unseren Cobb-Grill unter die Sprayhood und kurz danach gibt es Salat, Rind, Huhn und Schweinefleisch. Internet ist hier kostenlos und sauschnell, endlich kann ich auch die Galeriefunktion von Jimdo nutzen.

23. Mai 2016 - Fifty shades of grey
Oh mein Gott, wie kann es nur soviel regnen. Wir verlassen morgens um 9 Uhr Dokkum mit der ersten Brückenöffnung. Der Himmel hängt tief, es regnet, und das wird es bis zu unserer Ankunft tuen. Dazu pfeift ein Wind aus Nord. So tuckern wir südwärts. Karl-Heinz und ich wechseln uns am Ruder ab. Wir durchfahren wunderschöne Orte, aber selbst zum Fotografieren ist es zu nass. Uns beeindrucken immer wieder die tollen Häuschen, die direkt am Wasser liegen, traumhaft schön. Viele mit einem eigenen Bootsanlieger, das wärs! Das eigene Schiff direkt am Grundstück fest getüddelt. Um die Mittagszeit passieren wir Leuwarden. Seit morgens bereits haben wir einen Motorsegler hinter uns, der vor den Brücken, vor denen wir warten müssen, viel zu nahe auffährt. Den Höhepunkt erreicht das in Leuwarden, wo er vor einer Brücke auf Warteposition bis auf wenigen Zentimeter auf uns drauftreibt und uns mit seiner Schiffshupe anbölkt. Obwohl ich innerlich koche bleibe ich cool und manövriere randale nordic rückwärts um ihn herum, um ihn nicht mehr hinter mir zu haben.
Nach Leuwarden erwartet uns wieder weites Land, Friesland. Unglaublich grün, riesige Schaf- und Rinderherden, aber heute alles bedeckt vom Grau des Himmels.
Unser Tagesziel für heute heißt dann auch Grouw. Obwohl mitten im Binnenland gelegen, ist es eines der Wassersportzentren der Region. Ein malerischer Ort, umgeben vom Wasser, Yachthäfen und Schiffsservice wohin man schaut.
Beim Einfahren in den Ort laufen wir das zweite mal auf dieser Reise auf. Obwohl uns der Nordwind auf die flache Stelle drückt, zieht uns der Schiffsdiesel schnell wieder in tiefes Wasser. Wir finden eine tolle Anlegestelle vor einem Hotel. Britti geht direkt nach dem Anlegemanöver in das Hotel und handelt einen Deal aus: Wir dürfen die Nacht umsonst dort liegen, wenn wir abends dort essen gehen.
Es erwartet uns ein grandioses 4-Gänge-Menü, Karl-Heinz lädt ein. Gebeizter Lachs, Kabeljau mit Spargel, Lamm und Vanilleeis mit Erdbeeren. Und das Beste: Ich kann vom Essenstisch auf mein Boot schauen! Mehr geht nicht. Obwohl es den ganzen Tag geregnet hat, bin ich sehr glücklich. Wir sind nur noch eine Tagesreise von Lelystad, unserem Heimathafen für diese Saison, entfernt. Das tolle Essen, dieser besondere Liegeplatz, der Rückblick auf den gelungen Überführungstörn lassen mich sehr zufrieden sein. Und meine Frau, die am Abendbrottisch neben mir sitzt, und sich für mich mit freut.
Ich sitze gerade noch im Salon von randale nordic, während ich diese Zeilen schreibe. Britti ist schon in ihre Koje gekrochen, hat sich eingemummelt. Schlaf gut, meine Brittifrau, ich passe auf dich auf.

Unser Liegeplatz

4-Gänge-Menü mit Blick aufs Schiff

24.5.2016 - Fast im Ijsselmeer
Unser Liegeplatz direkt vor dem Restaurant Ostergoo gefällt uns so gut, dass wir morgens dort frühstücken gehen. Koffee, leckere Zimtteilchen, Eier und Yoghurt, wir sitzen lange, bis wir uns endlich aufraffen. Vor dem Ablegen wollen wir noch den neuen Kartenchip in den Plotter schieben, aber der alte will nicht aus seinem Slot. Schließlich gelingt es Britta doch, den Chip mit einem Messer aus dem Schacht zu fummeln, dabei fliegt er in hohem Bogen nach hinten und bleibt wenige Zentimeter vor der Deckskante liegen. Uff, fast 350 Euro versenkt. Zu allem Überfluss funktioniert der neue nicht, er soll alle Karten von Holland bis zu den Kanaren enthalten, aber der Simrad-Plotter liest ihn nicht ein. Also die alte Karte wieder rein, die allerdings keine Details vom Fahrgebiet zeigt.
So kommen wir nach dem Ablegen auch gleich an der ersten Kreuzung von Fahrwassern ins Trudeln. Die roten Tonnen links oder rechts? Um die kleine Insel noch herum oder nicht? Während wir noch diskutieren, schiebt sich der Kiel von randale nordic schon in den Modder. Aha, Britti hatte Recht, die roten bleiben backbord.
Wenig später biegen wir in den Prinses Margriet Kanal ein, einen der Hauptkanäle durch Friesland. Wir motoren südwärts. Später können wir sogar segeln, der Code Zero zieht uns voran. In Böen erreicht der Wind über 20 Knoten und wir rauschen streckenweise mit über 8 Knoten dahin, überholen sogar kleine Frachter. Auf einem Vormwindstück passiert es dann, das Schiff schaukelt sich auf, luvt stark an und schießt fast in die Sonne. Doch wir reagieren richtig, während Britta den Zero ausrauschen lässt, hechte ich zum Motor, starte ihn und lege den Hebel auf Vollgas während Karl-Heinz das Schiff in den Wind dreht. Wir schaffen es, das knatternde Segel einzurollen und gehen wieder auf Kurs. Schwein gehabt, so weit war es nicht mehr bis zum Ufer.
Am späten Mittag laufen wir in Lemmer ein, das Segelzentrum Frieslands. Wir kommen an einem halben Dutzend Yachthäfen und Marinas vorbei, aber wir laufen bis direkt in die Innenstadt. An der ersten Brücke in die Stadt bezahlen wir unser Klompgeld, die Gebühr für die Passage. Von der Brücke wird ein Holzschuh an einer Angel herabgelassen, worein man sein Geld steckt.
Wir liegen direkt an der Partymeile der Stadt, links und rechts des Kanals sind Restaurants, Kneipen, Geschäfte. Viel los ist allerdings Ende Mai und so mitten in der Woche nicht, trotzdem ergattern wir den letzten Liegeplatz. Wir bummeln durch die Stadt und kaufen ei, später gibt es Fischsuppe und Spargel mit Schweinesteaks. Zum Nachtisch frische Erdbeeren mit Vla, dem köstlichen holländischen Pudding.

25. Mai 2016 - Sie haben ihr Ziel erreicht
Ich werde eine halbe Stunde vor Lelystadt wach, beende mein Mittagsschläfchen im Salon. Bei der Fahrt von Lemmer nach Lelystadt ist mal wieder kein Wind, wir laufen wieder unter Maschine. Um 11 Uhr ist uns nach einem zweiten Frühstück und wir durchforsten das Schiff nach Reste von Essbarem. Eine halbe "Ahle Worscht", Schinken, Käse. Und dann sind da noch ein paar Flaschen Bier. So nimmt das Verhängnis seinen Lauf, bereits eine Stunde vor Mittag trinken wir das erste Bierchen. Und dann noch eins. Um ein Uhr ereilt mich dann bleiernde Müdigkeit und ich verschwinde mit einem verständnissuchenden Blick unter Deck zu meinem Schläfchen. Mannomann, sollte nicht zur Gewohnheit werden.
Als wir in die Flevomarina einlaufen bin ich wieder halbwegs fit, wir finden schnell unseren Liegeplatz an Steg 7. Unser Heimathafen für den Rest der Saison. Ich hatte den Platz bereits von zuhause aus gebucht. Der Hafenmeister empfängt uns freundlich, erklärt uns alles und gibt uns unsere Hafenkarte. Die Marina ist wirklich klasse, bietet allen Komfort und auch technische Möglichkeiten. Alle Servicebetriebe sind vor Ort, vom Segelmacher bis zum Motoren-Service. Und auch die Atmosphäre ist toll, etwas außerhalb gelegen, mitten im Grünen mit einem tollen Strand direkt angrenzend.
Gegen 19 Uhr kommt Andrea an, um Britta und Karl-Heinz abzuholen. Im Gepäck eine Riesenüberraschung: Eine Eiswürfelmaschine. Ich flitze schnell ins Restaurant um eine Flasche Tonic zu kaufen. Bereits 10 Minuten später klötern die ersten Eiswürfel ins Glas. Gin Tonic, gekühlt.
Abends gehen wir in das Restaurant direkt am Yachthafen. Auch davon sind wir begeistert. Tolles Essen mit Blick auf den Yachthafen. Als die Sonne rot im Ijsselmeer versinkt finde ich es fast zu perfekt.
Morgen werden Britta und Karl-Heinz von Bord gehen, ich bleibe noch bis Sonntag und werde mit Merle und Ingmar nach Hause fahren, die Freitag für 2 Tage in die "Prinz-William-Suite" (wie wir die Achterkajüte nennen) einziehen. Ich blicke zufrieden auf den ersten Teilabschnitt meiner Reise zurück. Alles hat geklappt, aber doch wieder anders als geplant. randale nordic hat sich wieder als tolles Fahrtenschiff bewiesen, sowohl beim harten Aufkreuzen als auch bei stundenlanger Motorenfahrt ist das Schiff eine zuverlässige Partnerin und auch unser Stück Heimat, das mit uns reist. Es bleiben tolle Eindrücke von den Landschaften, den Erlebnissen und vor allem von uns, Karl-Heinz, unserem Performance-Abspüler und Bordingenieur und meiner geliebten Britti woman.

Sollst du denn immer so viel Wasser verbrauchen beim Abwaschen?

Mein Greifswalder Mädchen an ihrem neuen Liegeplatz